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Cugel der Schlaue

Cugel der Schlaue

Titel: Cugel der Schlaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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bewahrte.
    Ein Tag folgte dem anderen. Die Sonne ging kühl und kraftlos auf, wanderte müde einen dunkelblauen Himmel empor, schien hin und wieder zu schwanken oder zu erzittern oder verschwand flüchtig hinter einem blauschwarz glänzenden Schleier, bis sie wie eine riesige purpurne Perle am westlichen Horizont verschwand.
    Am Nachmittag des siebten Tages hinkte Cugel einen Hang hinunter, der geradewegs in einen uralten, lange schon aufgegebenen Obstgarten führte. Er fand und verschlang ein paar runzlige Hexenäpfel, dann folgte er den überwucherten Resten einer alten Straße.
    Nach einer Meile wand die Straße sich eine Anhöhe hoch, von der man einen Blick auf eine gewaltige Ebene hatte. Unmittelbar unterhalb machte ein Fluß einen Bogen um eine kleine Stadt und verschwand allmählich südwestlich im Dunst.
    Aufmerksam betrachtete Cugel die Landschaft. Auf der Ebene sah er wohlgepflegte Gärten, jeder genau quadratisch und alle von absolut der gleichen Größe. Im Fluß schaukelte ein Fischerkahn. Ein Bild der Geruhsamkeit, dachte Cugel. Andererseits aber war das Städtchen nach einer ungewöhnlichen, archaischen Bauweise errichtet, und die peinliche Genauigkeit, mit der die Häuser den Stadtplatz umgaben, ließ auf eine geistige Starre schließen. Die Häuser selbst waren nicht weniger gleichförmig. Jedes war ein Bauwerk aus zwei oder drei, ja sogar vier zwiebelförmigen, nicht sehr großen Gebilden, eines auf dem andern. Das unterste war jeweils blau bemalt, das zweite dunkelrot, das dritte in einem stumpfen Ocker und das vierte schwarz. Und jedes Haus lief in einem Türmchen aus kunstvoll verschlungenen Eisenstäben von verschiedener Höhe aus. Eine Wirtschaft am Flußufer war von einem etwas lockeren, einfacheren Stil und hatte ringsum einen hübschen Garten. Auf der Uferstraße im Osten sah Cugel nun eine Karawane mit sechs hochrädrigen Wagen näherkommen. Das beendete seine Unentschlossenheit. Offenbar wurden auch Fremde in der Stadt geduldet. Also machte er sich zuversichtlich auf den Weg den Hang hinab.
    Am Stadtrand blieb er stehen und holte seinen alten Beutel hervor, den er behalten hatte, obgleich er jetzt arg mager war. Er enthielt noch fünf Terces, ein Betrag, der wohl kaum für seine Bedürfnisse genügte. Cugel dachte kurz nach, dann bückte er sich und hob eine Handvoll Kiesel vom Straßenrand auf. So gefüllt sah der Beutel in seiner prallen Rundlichkeit recht vielversprechend aus. Jetzt strich er sich noch den Staub vom Beinkleid, rückte seine schwarze Jäger-kappe zurecht und schlenderte weiter.
    Ohne aufgehalten zu werden oder auch nur aufzufallen, betrat er das Städtchen. Er überquerte den Stadtplatz und blieb stehen, um eine Vorrichtung zu betrachten, die noch ungewöhnlicher als die malerische Architektur war: eine steinerne Feuergrube, in der die von mehreren Scheiten gespeisten Flammen hoch aufloderten. Ringsum befanden sich auf eisernen Ständern fünf Lampen, jede mit fünf Dochten, und darüber eine verwirrende Anordnung von Spiegeln und Linsen, deren Zweck Cugel nicht klar war. Zwei junge Männer waren eifrig dabei, die fünfundzwanzig Dochte zu stutzen, das Feuer zu schüren und Schrauben und Hebel zu verstellen, mit denen die Spiegel und Linsen bewegt werden konnten. Sie trugen Kleidung, die offenbar für diese Stadt typisch war: eine pluderige blaue Kniehose, ein rotes Hemd, ein schwarzes Wams mit Messingknöpfen und einen breitkrempigen Hut. Nach einem flüchtigen Blick beachteten sie Cugel nicht weiter, und er setzte seinen Weg zu dem Gasthaus fort.
    Im Wirtsgarten saßen gut zwei Dutzend Bürger an den Tischen. Sie aßen und tranken mit sichtlichem Genuß. Cugel beobachtete sie kurz. Ihre Steifheit und eleganten Gesten deuteten auf Manieren einer lange vergangenen Zeit hin. Wie ihre Häuser wirkten sie etwas fremdartig auf Cugel, obwohl er wahrhaftig weit herumgekommen war. Sie waren bleich und hager, hatten einen eierförmigen Kopf, eine lange Nase, dunkle ausdrucksvolle Augen und auf verschiedene Weise gestutzte Ohren. Die Männer waren ausnahmslos kahlköpfig, und ihre Glatzen glänzten im roten Sonnenschein. Die Frauen trugen ihr Haar in der Mitte gescheitelt und dann abrupt, etwa einen halben Zoll über dem Ohr, gerade geschnitten. Eine Frisur, die Cugel nicht sonderlich ansprechend fand. Während er ihnen beim Essen und Trinken zusah, erinnerte er sich voll Unbehagen an die Kost, mit der er sich in den Bleichrunzeln bei Kräften gehalten hatte, und so bedachte er

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