Cugel der Schlaue
mitspielen zu dürfen, erhielt jedoch in jedem Fall eine Absage. In düsterster Stimmung trat er an den Schanktisch, hinter dem Maier eine Kiste mit Tonkrügen auspackte. Cugel bemühte sich um eine Unterhaltung, aber ausnahmsweise hatte der Wirt einmal keine Zeit dazu. »Der Nolde Huruska unternimmt eine Reise«, erklärte er Cugel, »und so haben seine Freunde beschlossen, ihm heute abend eine Abschiedsfeier zu geben, für die ich noch viele Vorbereitungen treffen muß.«
Cugel ließ sich einen Krug Bier geben, mit dem er sich an einen Ecktisch zurückzog, wo er wieder ins Grübeln versank. Nach einer Weile ging er zur Hintertür hinaus und widmete sich der Aussicht über den Isk, dann spazierte er das Ufer entlang, bis er zu einem Anlegeplatz kam, wo die Fischer ihre Kähne vertäut hatten und ihre Netze trockneten. Cugel blickte den Fluß auf und ab, dann schlenderte er zur Wirtschaft zurück und verbrachte den Rest des Tages damit, den siebzehn Maiden zuzusehen, die sich die Zeit mit Spazierengehen vertrieben oder im Wirtsgarten süßen Zitronentee nippten.
Die Sonne ging unter. Das Abendrot von der Farbe alten Weines verdunkelte sich zur Nacht. Cugel traf seine Vorbereitungen, wozu er allerdings nicht viel Zeit benötigte, da sein Plan sehr einfach war.
Der Karawanenmeister, dessen Name Shimilko war, wie Cugel erfahren hatte, sammelte seine betörenden Schützlinge zum Abendmahl um sich, dann brachte er sie, trotz der Proteste derer, die im Gasthaus bleiben wollten, um an der Abschiedsfeier für den Nolden teilzunehmen, zu ihren Schlafwagen.
In der Gaststube hatte diese Feier bereits begonnen. Cugel setzte sich in eine dunkle Ecke und rief den schwitzenden Wirt zu sich. Er griff tief in den Beutel und holte zehn Terces heraus. »Ich gestehe, daß ich Huruska mit sehr unfreundlichen, undankbaren Gedanken bedachte«, erklärte er Maier. »Jetzt möchte ich sie wiedergutmachen – ohne daß mein Name fällt, allerdings! Jedesmal, wenn Huruskas Krug fast leer ist, setzt ihm einen neuen vor, damit es ein wahrhaft fröhlicher Abend für ihn wird. Sollte er Euch fragen, wer der edle Spender ist, so erwidert: ›Einer Eurer Freunde, der sich Euch erkenntlich zeigen möchte.‹ Habt Ihr das verstanden?«
»Selbstverständlich. Ich werde diesen Auftrag gern erfüllen, denn es ist eine großherzige Geste, die Huruska zu schätzen wissen wird.«
Der Abend schritt voran. Huruskas Freunde sangen fröhliche Lieder, brachten Dutzende von Trinksprüchen auf den Scheidenden aus, für die der Nolde sich jedesmal bedankte, indem er seinen Krug leerte. Und wie Cugel den Wirt ersucht hatte, wartete bereits ein frischer Krug, ehe Huruska den vorherigen überhaupt ausgetrunken hatte. Cugel staunte nur so über des Nolden Fassungsvermögen.
Schließlich mußte Huruska doch austreten. Er entschuldigte sich bei der vergnügten Gesellschaft und taumelte durch den Hinterausgang zu der Steinmauer mit dem langen Trog, der dort für die Schenkengäste aufgestellt war.
Während der Nolde mit dem Gesicht zur Wand stand, warf Cugel ihm von hinten ein Fischernetz über den Kopf, dann ließ er geschickt eine Schlinge über Huruskas fleischige Schultern fallen, zog sie fest und wickelte zusätzlich noch weitere Stricke um die feiste Gestalt. Des Nolden Gebrüll ging in den lärmenden Liedern unter, die gerade zu seiner Ehre gesungen wurden. Cugel zerrte das fluchende Bündel den Weg zum Anlegeplatz hinunter und in einen Fischerkahn. Er löste die Vertäuung und schob das Boot hinaus in die Strömung des Flusses. »Zumindest«, sagte Cugel laut, »sind zwei Teile meiner Prophezeiung richtig. Geehrt wurde er in der Gaststube, und jetzt macht er eine Reise auf dem Wasser.«
Er kehrte in die Schenke zurück, wo man inzwischen auf Huruskas Abwesenheit aufmerksam geworden war. Maier gab seiner Meinung Ausdruck, daß der Nolde sich, seines frühen Aufbruchs wegen, zurückgezogen hatte, und alle gaben ihm recht.
Am nächsten Morgen stand Cugel bereits eine Stunde vor Morgengrauen auf. Er nahm ein schnelles Frühstück zu sich, bezahlte dem Wirt die Rechnung und begab sich zu Shimilko, der die letzten Reisevorbereitungen traf.
»Ich bringe Euch eine Nachricht von Huruska«, erklärte ihm Cugel. »Aufgrund einer Reihe bedauerlicher Umstände sieht er sich außerstande, die Reise zu unternehmen. Er empfiehlt mich für den Posten, den Ihr für ihn vorgesehen hattet.«
Shimilko schüttelte verwundert den Kopf. »Wie betrüblich für ihn! Gestern
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