Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cugel der Schlaue

Cugel der Schlaue

Titel: Cugel der Schlaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
Augen, jedes so groß wie eine Bratpfanne, waren hinter ihren Schutzschilden nicht zu sehen.
    Cugel hielt erneut den Atem an, nicht nur aus Angst, sondern weil der gräßliche Gestank ihn zu überwältigen drohte. Er schaute sich in der Kammer um. Eine Schnur verlief von der Lampe über die Dekke und baumelte neben Phampouns Finger herab. Fast automatisch löste Cugel die Schnur von der Lampe. Er sah einen einzigen Ausgang aus diesem Raum: eine niedrige Eisentür unmittelbar hinter Phampouns Sessel. Die Rampe, über die er hereingerutscht war, war nicht mehr zu sehen.
    Die Hautlappen neben Phampouns Mund zitterten und hoben sich. Ein Homunkulus, der aus des Dämons Zungenspitze wuchs, spähte heraus. Mit schwarzen Perlenaugen starrte er Cugel an. »Ha!« murmelte er. »Ist die Zeit so schnell vergangen?« Das Geschöpf beugte sich vor und betrachtete ein Zeichen an der Wand. »Sie ist es wahrhaftig! Ich habe verschlafen, und Phampoun wird erzürnt sein. Wie heißt du, und welcher Missetaten hast du dich schuldig gemacht? Die Einzelheiten interessieren Phampoun sehr – das heißt mich, obgleich es mir Spaß macht, mich gewöhnlich Pulsifer zu nennen, als wäre ich eine separate Wesenheit.«
    Mutig und in der Hoffnung, seine Worte würden überzeugend klingen, sagte Cugel: »Ich bin Cugel, der Inspektor des neuen Regimes, das vor kurzem die Macht in Lumarth ergriffen hat. Ich komme hier herab, um mich zu vergewissern, daß es Phampoun an nichts mangelt. Und nun, da ich festgestellt habe, daß alles in Ordnung ist, kehre ich nach oben zurück. Wo ist der Ausgang?«
    Betrübt fragte Pulsifer: »Du hast keine Untaten begangen? Das ist eine traurige Neuigkeit. Sowohl Phampoun als auch ich freuen uns über alles Böse. Vor gar nicht so langer Zeit unterhielt uns ein gewisser Seefahrer, dessen Name mir entschlüpft ist, über eine Stunde lang gar köstlich.«
    »Und was geschah dann?«
    »Frag lieber nicht.« Pulsifer beschäftigte sich damit, einen von Phampouns Stoßzähnen mit einer kleinen Bürste zu polieren. Er schob den Kopf vor und betrachtete die fleckige Fratze über ihm. »Phampoun schläft immer noch tief und fest. Er nahm, ehe er sich zur Ruhe begab, ein üppiges Mahl zu sich. Entschuldige mich, während ich mich darum kümmere, daß Phampouns Verdauung ihren richtigen Verlauf nimmt.« Pulsifer verschwand hinter des Dämons Hautlappen. Nur die Vibration des sehnigen grauen Halses verriet seine Anwesenheit. Kurz darauf tauchte er wieder auf. »Er ist schon halb verhungert, zumindest hat es den Anschein. Ich wecke ihn auf. Gewiß möchte er sich noch mit dir unterhalten, ehe er …«
    »Ehe er was?«
    »Ist ja egal.«
    »Einen Moment!« sagte Cugel. »Ich bin mehr daran interessiert, mich mit dir als mit Phampoun zu unterhalten.«
    »O wirklich?« Pulsifer polierte Phampouns Fänge mit noch größerem Eifer. »Das freut mich, denn diese Ehre wird mir selten zuteil.«
    »Merkwürdig! Ich sehe, daß du viele Vorzüge hast. Natürlich geht deine Karriere Hand in Hand mit Phampouns, aber es könnte doch sein, daß du deine eigenen Ziele und Ambitionen hast.«
    Pulsifer klemmte die Bürste unter Phampouns Lippen und setzte sich auf das so geschaffene Sims. »Manchmal hätte ich Lust, mir einmal die Außenwelt anzusehen. Zwar sind wir bereits mehrmals an die Oberfläche hochgestiegen, doch immer des Nachts, wenn dichte Wolken die Sterne verbargen, und selbst da klagte Phampoun über die grelle Helligkeit und kehrte eiligst in die Tiefe zurück.«
    »Wie bedauerlich für dich«, bemitleidete ihn Cugel. »Bei Tag gibt es so viel zu sehen. Die Umgebung von Lumarth ist malerisch. Die Gütigen sind gerade dabei, ihr Großes Fest der Ultimaten Gegensätze zu feiern, das, wie man sagt, sehr amüsant sein soll.«
    Pulsifer schüttelte sehnsuchtsvoll den Kopf. »Ichbezweifle, daß ich je Ähnliches sehen werde. Warst du Zeuge vieler grauenvoller Missetaten?«
    »Das kann man wohl sagen. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Zwerg des Batwarwaldes, der auf einem Pelgran ritt …«
    Pulsifer unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Einen Augenblick. Das wird Phampoun hören wollen.« Er lehnte sich gefährlich weit aus dem gähnenden Rachen, um zu den verdeckten Augen hochzuschauen. »Ist er, oder vielmehr genauer gesagt, bin ich wach? Mir war, als spürte ich ein Zucken. Wie dem auch sei, obgleich ich unsere Unterhaltung genoß, dürfen wir doch unsere Pflichten nicht vernachlässigen. Hm, die Lampenschnur hat sich gelöst.

Weitere Kostenlose Bücher