Cujo
gerichtet, wo sie erscheinen mußte, wenn sie an der Fahrerseite den Wagen verließ. Er wartete auf sie und hoffte, daß sie dumm genug sein würde auszusteigen. Er lauerte im Gebüsch auf sie.
Mit einer raschen, nervösen Geste, als ob sie sich wusch, rieb sie sich das Gesicht. Hoch oben trat der Abendstern aus dem dunkler werdenden Blau hervor. Die Sonne war verschwunden, und immer noch lag ein ruhiges aber irgendwie verrücktes gelbes Licht über den Feldern. Irgendwo sang ein Vogel, schwieg und sang dann weiter.
Sie mußte feststellen, daß sie nicht annähernd so begierig darauf war, den Wagen zu verlassen, wie noch am Nachmittag. Teils lag es daran, daß sie eingeschlafen war und beim Aufwachen nicht genau wußte, wo der Hund war. Hinzu kam die simple Tatsache, daß die Hitze zurückging - die quälende Hitze und was sie Tad antat, waren ihr Hauptmotiv gewesen, den Versuch ins Auge zu fassen. Jetzt war es im Wagen einigermaßen auszuhalten, und Tads halb ohnmächtiger Zustand war in richtigen Schlaf übergegangen. Er erholte sich, wenigstens vorläufig.
Aber sie fürchtete, daß diese Dinge nicht der eigentliche Grund dafür waren, daß sie noch hier saß. Sie fürchtete, daß sie einen gewissen Grad der Bereitschaft erreicht und überschritten hatte. Sie wußte noch vom Schwimmunterricht in Camp Tapawingo, daß der Augenblick kam, wo man vom hohen Sprungbrett entweder den Sprung wagen oder sich feige zurückziehen mußte, um der nächsten Platz zu machen. Es kam der Tag, wo man beim Fahrunterricht die offenen Landstraßen verlassen und es im Stadtverkehr versuchen mußte. Irgendwann kam immer der Augenblick, wo man abspringen oder fahren mußte. Oder versuchen mußte, die Hintertür zu erreichen.
Früher oder später würde der Hund wieder auftauchen. Die Lage war schlimm, zugegeben, aber sie war noch nicht verzweifelt. Die günstigen Augenblicke kämen immer in Zyklen. Das hatte sie in keinem Psychologiekurs gelernt. Das wußte sie instinktiv. Wenn man am Montag den Sprung nicht wagte, konnte man es am Dienstag wieder versuchen. Dagegen gab es kein Gesetz. Man konnte -
Widerwillig erkannte ihr Verstand, daß in dieser Argumentation ein tödlicher Fehler lag.
Sie hatte heute abend nicht mehr soviel Kraft wie gestern abend. Und morgen früh würde sie noch schwächer und ausgelaugter sein. Und das war noch nicht das Schlimmste. Sie hatte fast die ganze Zeit gesessen - wie lange? - es schien unmöglich, aber es waren schon ungefähr achtundzwanzig Stunden. War sie nicht zu steif, um es zu schaffen? Wenn sie nun nur den halben Weg zur Veranda schaffte und dann zusammenbrach, weil sich ihre Oberschenkel verkrampften?
Wenn es um Leben und Tod geht, sagte ihr Verstand ihr unerbittlich, kommt der günstige Augenblick nur einmal - einmal, und dann ist es zu spät.
Ihre Atmung und ihr Puls beschleunigten sich. Ihr Körper wußte früher als ihr Verstand, daß sie den Versuch machen würde. Dann wickelte sie das Hemd fester um ihre Handj Sie legte die Hand an den Türgriff und erkannte: Es war keine bewußte Entscheidung gewesen. Sie tat es ganz einfach. Sie ging jetzt, während Tad fest’ schlief und nicht die Gefahr bestand, daß er hinterherlief.
Mit ihrer schweißnassen Hand zog sie den Türgriff hoch. Sie hielt den Atem an und lauschte, ob sich etwas verändert hatte.
Der Vogel sang wieder. Sonst nichts.
Wenn er die Tür so stark eingebeult hat, daß sie sich nicht mehr öffnen läßt, dachte sie. Das wäre eine Art bitterer Erleichterung. Sie könnte sitzenbleiben und ihre Entscheidung überdenken, prüfen, ob sie auch alles in ihre Berechnungen einbezogen hatte … und ein wenig durstiger werden … ein wenig schwächer … ein wenig langsamer …
Sie drückte gegen die Tür, half mit der Schulter nach, setzte ihr Gewicht ein. Ihre rechte Hand schwitzte unter dem Baumwollhemd. Sie hatte die Faust geballt, daß ihre Finger schmerzten. Ihre Nägel gruben sich in die Handflächen. Immer wieder sah sie sich in Gedanken die Scheibe neben dem Türgriff einschlagen, hörte die Scherben auf den Fußboden klirren, sah, wie sie die Hand nach dem Griff ausstreckte …
Aber die Tür öffnete sich nicht. Donna verstärkte den Druck. Sie strengte sich so an, daß ihre Halsmuskeln hervortraten. Aber sie öffnete sich nicht. Sie -
Und dann öffnete sie sich doch. Ganz plötzlich. Sie öffnete sich so weit, daß Donna fast hinausgefallen wäre. Sie suchte den Türgriff und verfehlte ihri. Sie faßte noch einmal
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