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Cujo

Cujo

Titel: Cujo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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daß sie die Aufregung und Hektik New Yorks nicht entbehren konnte.
    Um ehrlich zu sein - alle diese Dinge waren nicht das Schlimmste gewesen. Das Schlimmste war die quälende Überzeugung gewesen, daß sie mit Ad Worx hier Schiffbruch erleiden würden, um dann mit eingezogenem Schwanz wieder zurückschleichen zu müssen. Das war zwar nicht passiert, denn Vic und Roger hatten hart gearbeitet. Aber das hatte auch bedeutet, daß sie ständig mit ihrem Kind allein war und zuviel Zeit hatte.
    Ihre engeren Freunde konnte sie an den Fingern einer Hand abzählen. Die wenigen, die sie hatte, würden immer zu ihr halten, aber sie schloß nicht leicht neue Freundschaften. Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, eine Qualifikation für Maine zu beantragen - ein New Yorker Examen wurde in Maine anerkannt und umgekehrt; sie mußte lediglich ein paar Formulare ausfüllen. Dann konnte sie sich in Castle Rock beim Schuldienst bewerben. Es war eine lächerliche Idee, und sie legte sie zu den Akten, nachdem sie ein wenig gerechnet hatte.
    Benzingeld und der Lohn für den Babysitter würden die achtundzwanzig Dollar aufzehren, die sie am Tag verdienen konnte.
    Ich bin die berühmte wunderbare Amerikanische Hausfrau geworden, hatte sie sich im vergangenen Winter oft verzweifelt gesagt, wenn sie durch das Veraridafenster in das Schneetreiben hinaussah. Ich füttere Tad mittags mit Bohnen, Käsetoast und Suppe von Campbell, und mein Leben besteht darin, mir Lisa in Wie die Welt sich dreht und Mike in Die Jungen und dje Ruhelosen anzusehen. Hin und wieder wird das Ganze mit dem Glücksrad ein wenig angereichert. Sie könnte gelegentlich Joanie Welsh besuchen, die eine kleine Tochter in Tads Alter hatte, aber bei Joanie fühlte sie sich nie so recht wohl. Sie war drei Jahre älter als Donna und wog zehn Pfund mehr. Diese zusätzlichen zehn Pfund schienen sie nicht zu stören. Ihr Mann mochte sie so. Joanie war mit ihrem Leben in Castle Rock zufrieden.
    Ganz allmählich hatte sich der Dreck im Rohr gestaut. Sie fing an, sich mit Vic über Kleinigkeiten in die Haare zu geraten und überspielte damit die wichtigen Dinge, die schwer zu definieren und noch schwerer zu artikulieren waren. Dinge wie das Gefühl, etwas zu versäumen, und die Angst vor dem Altwerden. Dinge wie Einsamkeit und ihre schrecklichen Auswirkungen. Manchmal genügte es, ein Lied zu hören, das sie von früher kannte, um ohne Grund in Tränen auszubrechen. Sie beneidete Vic, denn sein Leben bedeutete Kampf; er baute etwas auf; er war wie ein fahrender Ritter mit dem Familienwappen auf dem Schild, während ihr Leben darin bestand, Tad durch den Tag zu bringen, ihn aufzumuntern, wenn er schlechte Laune hatte, ihm zuzuhören und seine Mahlzeiten zu bereiten. Ihr Leben war ein einziges Warten.
    Sie hatte immer geglaubt, es würde besser werden, wenn Tad größer war, und die Feststellung, daß das nicht der Fall war, brachte neues Entsetzen. In diesem Jahr war er an drei Vormittagen in der Woche zur Vorschule gegangen; in diesem Sommer kamen fünf Nachmittage wöchentlich hinzu, die er auf dem Spielplatz verbrachte. Das Haus war so leer, wenn er weg war. Die Türen standen offen, aber Tad kam nicht hereingelaufen. Die Treppe lag einsam da, aber kein Tad saß vor seinem Mittagsschlaf im Pyjama auf einer der Stufen, die Nase in einem seiner Bilderbücher vergraben.
    Die Türen wurden Rachen, die Treppe ein tiefer Schlund. Die leeren Zimmer verwandelten sich in Fallen.
    Sie reinigte Fußböden, die schon sauber waren. Sie sah sich alberne Fernsehspiele an. Sie dachte an Steve Kemp, der im vergangenen Herbst mit einer Virginia-Autonummer in die Stadt gerollt war und sich als Möbelrestaurator niedergelassen hatte. Manchmal ertappte sie sich dabei, daß sie vor dem Fernsehgerät saß und gar nicht wußte, was auf der Mattscheibe vor sich ging, weil sie daran dachte, wie interessant Steves tiefe Bräune mit seinem Tennisdress kontrastierte oder wie seine Schenkelmuskeln sich bewegten, wenn er lief. Und endlich hartte sie etwas unternommen. Und heute -
    Wieder verkrampfte sich ihr Magen. Sie riß die Hand vor den Mund und rannte mit weit aufgerissenen Augen ins Badezimmer. Sie schaffte es gerade noch und brach alles aus. Sie betrachtete die Schweinerei und stöhnte laut.
    Sie fühlte sich nun ein wenig besser (wenn auch ihre Beine noch zitterten) und betrachtete sich im Spiegel. Das grelle Licht der Neonleuchte schmeichelte ihr nicht. Ihre Haut war zu weiß, und unter den Augen

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