Cujo
»Eins rauf.«
»Es ist keine Entschuldigung«, sagte Roger kläglich. »Es ist eine verdammte Erklärung.«
»So sehen Sie das«, entwortete Rob. »Aber er? Das ist doch die Frage. Ich kenne den alten Knacker. Er würde sich vorkommen wie ein Kapitän, der vor Frauen und Kindern das sinkende Schiff verläßt. Nein, ich werde Ihnen sagen, was geschehen wird, Freunde.« Er hob sein Glas und nahm einen bedächtigen Schluck. »Eine wertvolle und viel zu kurze Geschäftsverbindung neigt sich ihrem Ende zu. Der alte Sharp wird sich Ihre Vorschläge anhören und den Kopf schütteln. Dann wird er Sie hinauskomplimentieren. Für immer. Und die nächste PR-Firma wird sein Sohrt aussuchen. Er wird seine Wahl davon abhängig machen, wie weit die Leute bereit sind, seine verrückten Ideen zu tolerieren.«
»Vielleicht«, sagte Roger. »Aber vielleicht wird er …»
»Auf das Vielleicht kommt es einen Scheißdreck an, so oder so«, sagte Vic so heftig, daß ein paar Leute von ihren Tellern aufsahen. »Der einzige Unterschied zwischen einem guten Werbemann und einem guten Ölhändler ist, daß ein guter Werbemann versucht, aus dem Material, das er hat, das Beste zu machen … ohne die Grenzen des Anstands zu überschreiten. Und darum geht es bei diesem Spot. Wenn er ihn ablehnt, lehnt er das Beste ab, was uns überhaupt möglich war. Und damit hat sich’s.« Er drückte seine Zigarette aus und stieß beinahe Rogers halbvolle Flasche Bier um. Seine Hände zitterten.
Rob nickte. »Darauf werde ich trinken.« Er hob sein Glas. »Zum Wohl, Gentlemen.«
Auch Vic und Roger hoben ihre Gläser.
Rob dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Hoffentlich schaffen wir es wider alle Erwartungen.«
»Amen«, sagte Roger.
Sie stießen an und tranken. Während er sein letztes Bier herunterkippte, mußte Vic wieder an Donna und Tad denken.
George Meara, der Briefträger, hob ein in das Blaugrau der Post gekleidetes Bein und furzte. Er furzte in der letzten Zeit recht häufig. Er machte sich schon Sorgen. Er konnte essen, was er wollte. Gestern abend hatten er und seine Frau Dorsch in Sahnesoße auf Toast gegessen, und er hatte gefurzt. Heute morgen Kelloggs Produkt 19 mit einer hineingeschnittenen Banane - und er hatte gefurzt. Heute mittag unten im Sanften Tiger zwei Cheeseburger mit Mayonnaise … ein Furz nach dem anderen.
Er hatte die Symptome in der Medizinischen Enzyklopädie für das Heim nachgeschlagen, einem unbezahlbaren Werk in zwölf Bänden, das seine Frau Band für Band gekauft hatte, indem sie die Kassenbons von Shop and’Save aufbewahrte. Was George Meara dort unter EXZESSIVE BLÄHUNGEN gefunden hatte, war nicht sehr ermutigend. Es konnte das Symptom für eine Magenverstimmung sein. Es konnte bedeuten, daß sich ein hübsches kleines Geschwür entwickelte. Es konnte eine Darmgeschichte sein. Es konnte sogar auf Krebs hinweisen. Wenn es sich nicht besserte, würde er den alten Dr. Quentin aufsuchen. Dr. Quentin würde ihm sagen, das viele Furzen sei eine Alterserscheinung und damit basta.
Tante Evvie Chalmers’ Tod im Frühjahr hatte George Meara hart getroffen - härter als er je geglaubt hätte -, und gerade in der letzten Zeit dachte er sehr ungern an das Älterwerden. Er dachte lieber an die »Goldenen Jahre des Ruhestands«, die er und Cathy zusammen verbringen würden. Nicht mehr um sechs Uhr dreißig aufstehen. Nicht mehr Postsäcke herumtragen und sich von diesem Arschloch Michael Fournier etwas sagen lassen, der das Postamt von Castle Rock leitete. Er würde sich nicht mehr im Winter die Eier abfrieren und sich im Sommer über die vielen Leute krankärgern, denen er dann auf ihren Campingplätzen und in ihren Ferienhäusern die Post zustellen mußte. Statt dessen würde er Reiseprospekte studieren und im Garten arbeiten. Er würde sich seinen Hobbies widmen. Aber hauptsächlich würde es »Ruhe und Entspannung« geben. Und der Gedanke, sich durch seine späten Sechziger hindurchzufurzen wie eine defekte Rakete, entsprach nicht ganz seinen Vorstellungen über die »Goldenen Jahre des Ruhestands«.
Er lenkte den kleinen blauweißen Postwagen auf die Straße Nummer 3 und zuckte zusammen, als die grelle Sonne ihn durch die Windschutzscheibe einen Augenblick blendete. Er hörte das schläfrige Zirpen der Grillen im hohen Sommergras und hatte eine kurze Vision von den »Goldenen Jahren des Ruhestands«. Es war eine Szene mit dem Titel »George entspannt sich auf dem Hof in einer Hängematte«.
Er hielt
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