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Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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so zugetragen?«, fragte Walde, während sein Zeigefinger an einer Liste von Namen herunterglitt.
    »Der Autor ist ein anerkannter Wissenschaftler.«
    »Das mit der im Bad verbrühten Fausta …«
    »Wie bei der Frau in Saarburg«, sagte sie. »Der obendrein auch noch die Zunge abgeschnitten wurde, womit die Römer Denunzianten bestraften.«
    Er nickte. »Und die Schlangen in dem Sack bei dem Mann aus Grevenmacher und der Panther in Verviers und das heiße Blei im Mund des Toten in Koblenz.«
    »Das hättest du mir früher sagen sollen. Obwohl …« Sie senkte nachdenklich den Kopf. »Dieses Säcken wurde zu Konstantins Zeiten schon nicht mehr praktiziert. Es stand als Strafe auf Verwandtenmord.«
    »Gute Nacht.« Andrea steckte ihren Kopf zur Tür herein.
    »Gehst du schon schlafen?«, fragte Doris.
    »Ich bin schon den ganzen Tag müde.« Andrea winkte und zog die Tür hinter sich zu.
    »Da hat Konstantin sicher gut daran getan«, sagte Walde, »das Säcken zu verbieten, allein schon, um sich selbst zu schützen, falls man ihn hätte belangen können.«
    »Daneben gab es noch die Kreuzigung, Köpfen und den Feuertod. Erdrosseln galt als mildere Strafe.«
    »Weißt du auch was von Brandmarken?«
    »Anfangs wurden die Delinquenten im Gesicht gebrandmarkt, in späteren Jahrhunderten an den Händen oder an den Waden.« Sie schaute in sein angewidertes Gesicht. »Menschen sind halt mit Abstand die brutalsten Wesen auf unserem Planeten. Das müsstest du doch wissen.«
     
    Am Nachmittag hatte er trainiert und danach geschlafen. Gleich beim ersten Sprungversuch bekam Huck mit einer Hand den Mauersims zu fassen, legte die andere daneben und zog sich hoch, bis er sich mit durchgedrückten Armen über der Krone erhob und einen Fuß neben sich auf die Mauer setzen konnte. Als er sich darüber schwang, stieß der Köcher auf seinem Rücken gegen das trockene Moos.
    Im dunklen Park wich er den Kieswegen und den Hecken und Bänken aus. Neben dem Haus verharrte er lauschend. Oben brannte noch Licht hinter den Fenstern. Es waren die Flure, die während der ganzen Nacht hell blieben.
    Er schlich am Haus vorbei zu dem Holzsteg am Teich. Einen Moment ließ er seine Hände auf dem feuchten Holz ruhen. Als er die Lippen zusammenpresste, spürte er seit langem wieder einmal die Beklemmung, die das Pflaster, das ihm Edelberga über den Mund geklebt hatte, auslöste. Nach dem Gebet durfte niemand während des Essens sprechen. Dabei hatte er nur seinem Bruder helfen wollen. Erst Tage zuvor hatte er selbst eine schwere Bronchitis überstanden und bekam kaum Luft durch die verschnupfte Nase. Aber er traute sich nicht, das Pflaster mit der Hand zu berühren. Lieber riskierte er, zu ersticken. Vergeblich hatte er versucht, von innen mit der Zunge dagegen zu stoßen. Während die anderen schweigend am Tisch aßen, hatte er Todesängste gelitten.
    Als Huck sich aufrichtete und mit der Hand über seine Knie wischte, stieß die Schriftrolle mit den aufgeklebten Zeitungsartikeln leise gegen die Wand des Köchers. Hinaus ging er durch das offene Tor. Die Mauer war nur eine Übung gewesen. Auf der Krone gab es keinen Stacheldraht. Nun würde er die gute Nachricht überbringen.
     
    Doris war noch wach, als Walde ins Bett kam und sich an ihren Rücken schmiegte. Er legte eine Hand um ihre Taille. Als er ihren Nacken küsste, streiften seine Lippen ein dünnes Kabel. Er sah den Schemen ihrer Hand, wie sie sich einen Ohrhörer ausstöpselte und damit nach seinem Ohr tastete. Joni Mitchell sang,We are stardust’. Er schloss seine Augen, hörte die Musik, spürte Doris’ weiche Haut und den Moment des Glücks. Er steckte ihr den Hörer wieder ins Ohr zurück und lauschte ihrem heftiger werdenden Atem. Die ganze übrige Welt verharrte wie im Märchen vom Dornröschen.
    Als er einen der Stöpsel wieder von ihrem Ohr in sein Ohr steckte, vermeinte er ihr Lächeln zu sehen.

Mittwoch
    Vor der Haustür saß diesmal ein anderer Personenschützer im Auto. Walde erwiderte seinen Gruß. Zwischen den noch geschlossenen Läden zog ein Kehrwagen seine ersten Runden. Im Hof des Präsidiums parkten zwei silbergraue BMWs mit Mainzer Nummernschildern.
    In der Kantine gab es zum Beginn der Frühschicht frische Brötchen. Er nahm sich zwei mit nach oben. Als er an Gabis und Grabbes Büro vorbeikam, glaubte er, drinnen ein Geräusch zu hören, aber erst musste er frühstücken. Während in seinem Büro der Rechner startete, entfernte er Salat und Gurkenscheiben vom Käse.

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