Cupido #1
auszublenden. Geh einfach weiter. Ein bewegliches Objekt ist schwer zu treffen,
Im sechsten Stock, wo sich die Hochsicherheitszellen befanden, lotste sie der Wachmann von seiner kugelsicheren Plastikkabine aus zu einem massiven Stahltor am Ende des Flurs. Ein lautes Summen ertönte, es öffnete sich und schloss sich dann unmittelbar hinter ihr wieder. Am Ende eines weiteren Gangs mit schäbigem, lindgrünem Anstrich befand sich eine vergitterte Pforte. Drei Videokameras an der Decke zeichneten alles auf. In dem Raum dahinter saßen zwei Personen an einem Metalltisch – einer war Bill Bantling in seinem knallroten Overall. Cupido. Nur wenige Schritte von ihr entfernt. Langsam atmete sie aus. Showtime. Sie stellte sich vor die Pforte, die wiederum automatisch aufglitt. Dann richtete sie sich kerzengerade auf und trat ein. Die Tür fiel scheppernd hinter ihr zu. C. J. war eingeschlossen.
Bei dem Geräusch drehte Bantling sich nach ihr um, aber C. J. versuchte sich auf Lourdes Rubio zu konzentrieren, die neben ihm am Tisch saß. Sie spürte seinen Blick, als sie durch den Raum schritt. Bis auf den Metalltisch und drei Stühle war er leer. Es war kalt, und ein unangenehmes Schaudern überlief sie.
«Hallo, Lourdes.» C. J. setzte sich an die andere Seite des Tisches, öffnete die Aktentasche und holte einen Block heraus.
«Hallo.» Lourdes sah von den Papieren auf, die vor ihr lagen. «Danke, dass Sie heute Morgen kommen konnten.»
«Sie wollten über eine Einrede sprechen. Nun, ich höre.» C.J. sah Lourdes an.
«Es gibt da in der Tat ein paar Dinge, die eine Einrede begründen würden, das ist wahr.» Lourdes seufzte, und nach einem kurzen Moment schob sie ein dickes Dokument zu C. J. hinüber.
«Was ist das?», fragte C.J. misstrauisch.
«Mein Antrag, die Fahrzeugkontrolle für illegal zu erklären.»
C. J. überflog den Antrag, während Lourdes resigniert fortfuhr. «Wir glauben, dass Ihre Urteilsfähigkeit in diesem Fall getrübt ist, Ms. Townsend. Wir werden morgen vor Richter Chaskel den Antrag stellen, Sie von dem Fall abzuziehen. Außerdem werde ich mich in dieser Sache an den Oberstaatsanwalt wenden müssen.»
C. J. schluckte. Die Panik, die ein Tier in der Falle spüren musste, stieg in ihr auf. Gleichzeitig fühlte sie sich, als hätte ihr jemand einen Keulenschlag verpasst. Alles, was sie herausbrachte, war: «Entschuldigen Sie bitte? Und wie kommen Sie darauf, dass meine Urteilsfähigkeit getrübt sein könnte?»
«Wir meinen ... uns sind Tatsachen bekannt geworden ...» Lourdes blinzelte, und dann wurde sie still. Sie starrte auf ihre Aufzeichnungen, und der Augenblick verging unangenehm langsam. C.J. spürte Bantlings Blick, er ließ sie nicht aus den Augen. Sie konnte ihn riechen. Seine langen Finger kratzten die grüne Farbe vom Tisch, an den er mit Handschellen gefesselt war; grüne Farbsplitter sammelten sich auf dem Boden unter ihm. Die eine Hälfte seines Munds war zu einem hämischen Grinsen verzogen. Er sah aus wie ein heimtückisches Kind, das mehr wusste als die anderen. C.J. konzentrierte sich mit aller Kraft auf Lourdes, doch unter dem Tisch begannen ihre Knie zu zittern.
Lourdes sprach leise, die Augen immer noch auf ihre Notizen geheftet. «Ich weiß, dass Sie Ihren Namen geändert haben. Sie hießen früher Chloe Larson. Ich weiß auch, dass Sie vor zwölf Jahren in Ih rer New Yorker Wohnung das Opfer einer Vergewaltigung wurden. Ich habe die Polizeiberichte gelesen.» Sie zögerte, und dann sah sie C. J. an. «Ich möchte Ihnen sagen, dass mir sehr Leid tut, was Ihnen passiert ist.» Sie räusperte sich, rückte sich die Brille zurecht und sprach weiter. «Mein Mandant erklärt, dass er derjenige ist, der Sie vergewaltigt hat. Er glaubt, Sie haben ihn wiedererkannt. Wegen der Verjährungsfrist kann er dieses Verbrechens im Staat New York nicht mehr angeklagt werden, und er meint, dass Sie deshalb jetzt einen persönlichen Rachefeldzug gegen ihn führen. Wir sind überzeugt, dass Sie Beweismaterial in diesem Fall zurückhalten, weil Sie wissen, dass er unschuldig ist.» Lourdes atmete aus, offensichtlich erleichtert, es hinter sich gebracht zu haben.
Interessant war Lourdes' Verwendung der Pronomen. Bantling lächelte immer noch und nickte, während Lourdes sprach, bestätigend mit dem Kopf wie bei einer guten Sonntagspredigt. Er ließ seinen bohrenden Blick absichtlich über C.J.s Körper wandern. Sie wusste, was er dachte, und sofort fühlte sie sich schmutzig: nackt und
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