Cupido #1
Justizvollzugsanstalt.» Er machte eine dramatische Pause und lehnte sich hinunter in Richtung des Beklagten. «Mr. Bantling, das Gericht kann nur hoffen –»
Plötzlich erhob sich Lourdes Rubio. «Euer Ehren, wenn ich vorsprechen darf. Ich unterbreche nur ungern, doch ich fürchte, dass das Gericht gerade dabei ist, zu einem Schluss zu kommen, ohne die Seite des Beschuldigten gehört zu haben. Euer Ehren, mein Mandant ist ein angesehenes Mitglied der Gemeinde. Er ist nicht vorbestraft. Er lebt seit sechs Jahren in Miami und hat hier Wurzeln geschlagen. Hier ist seine Arbeitsstelle und sein Zuhause. Er erklärt sich bereit, bis sich die Sache geklärt hat, dem Gericht seinen Pass zu übergeben, elektronische Handschellen zu tragen und sich unter Hausarrest stellen zu lassen, sodass er für die Vorbereitung seiner Verteidigung zur Verfügung stehen kann. Wir bitten das Gericht mit allem Respekt, diese Faktoren mit zu bedenken und eine Kaution festzusetzen.»
Jetzt erhob sich auch C. J., doch ihr wurde sofort klar, dass das gar nicht nötig war. Richter Katz' kahler Kopf färbte sich rot, und er schoss eisige Blicke in Lourdes Rubios Richtung. Sie hatte ihm den bis jetzt makellosen Auftritt verdorben. «Ms. Rubio, Ihr Mandant ist der Verdächtige in einer Serie von fürchterlichen, gewalttätigen Morden. Er ist mitten in Miami mit einer geschändeten Leiche im Kofferraum aufgegriffen worden. Er ist kein Tourist, der das Nachtleben in South Beach ein bisschen zu intensiv genossen hat, Ms. Rubio. Ich habe keine Angst davor, dass er flieht, Frau Anwältin, ich habe Angst, dass er mordet. Er stellt eindeutig eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Es wird keine Kaution festgesetzt. Er wird Ihnen von seiner Zelle aus zur Verfügung stehen.»
Richter Katz sah Lourdes Rubio an, als hätte er eben erst gemerkt, dass sie weiblich war. Mit tiefer Stimme setzte er hinzu: «Und es ist gut möglich, dass Sie mir eines Tages dafür noch dankbar sind.» Dann lehnte er sich wieder nach vorn und setzte sein Abschlusswort fort. «Nun, Mr. Bantling, ich kann nur um Ihretwillen hoffen, dass Sie des schrecklichen Verbrechens, dessen Sie angeklagt werden, nicht schuldig sind. Denn falls Sie –»
Auf einmal stand Bantling auf, er riss sich von seinem Tisch los, und sein Stuhl fiel krachend gegen das Holzgeländer hinter ihm. Aufgebracht schrie er Richter Katz an: «Das ist doch lächerlich! Euer Ehren, ich habe nichts getan. Nichts! Ich hatte diese Frau noch nie im Leben gesehen. Das Ganze ist doch Scheiße!»
C. J. sah Bantling an, und in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Er wandte sich jetzt an Lourdes Rubio, packte sie mit gefesselter Hand am Ellbogen und schrie: «Tun Sie was. Tun Sie doch was! Ich bin nicht schuldig. Ich gehe nicht ins Gefängnis!» C. J.s Mund wurde trocken. Sie starrte Bantling an, unfähig, sich zu bewegen, während drei Gefängniswärter zu seinem Tisch rannten, um ihn wieder auf seinen Stuhl zu drücken. C. J. sah, wie der Richter mit dem Hammer auf den Tisch schlug, sah die Journalisten, die aufsprangen, Kameras wurden geschwenkt, als die Szene live im Fernsehen übertragen wurde. Doch sie hörte nichts, nur Bantlings Stimme, die wieder und wieder schrie: «Tun Sie etwas! Sie müssen doch etwas tun!»
C. J. starrte auf seine Hand, mit der er Lourdes' Jackett gepackt hielt, auf die S–förmige Narbe, links, genau über dem Handgelenk. Sie kannte diese Stimme. Wie der Blitz traf sie in diesem fürchter
lichen Augenblick mitten im Gerichtssaal die Erkenntnis, wer William Rupert Bantling war. C. J. begann am ganzen Körper zu zittern. Vor ihren Augen wurde Bantling von der Anklagebank zum Ausgang geschleppt, er schrie immer noch, Lourdes solle etwas tun. C. J. starrte ihm nach, noch lange nachdem er verschwunden war, und hörte nicht einmal, dass Richter Katz von der Richterbank ihren Namen rief.
Dann spürte sie zwei starke Hände auf den Schultern. Es war FD LE –Agent Dominick Falconetti, der aufgestanden war und sie jetzt sanft schüttelte. Sie blickte ihn verständnislos an, sah, wie sein Mund ihren Namen formte. Sie hörte immer noch nichts, der Gerichtssaal klang wie ein Vakuum, und sie hatte das Gefühl, sie würde in Ohnmacht fallen.
«C. J.? C. J.? Alles in Ordnung? Der Richter ruft dich auf.»
Langsam begannen die Geräusche wieder zu ihr vorzudringen. Rauschend, donnernd wie Wellen in der Brandung. «Ja, ja. Alles in Ordnung», murmelte sie. «Ich habe mich nur etwas
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