Cupido #1
in einem Spiel zu gewinnen, in dem man nur verlieren konnte. Denn wenn die schrecklichen Fälle auf ihren Tisch kamen, war schon alles zu spät. C. J. hatte nicht auf ihren Rat, auf ihre Warnungen gehört, und für ihre Eltern war es schmerzhaft und ermüdend, sich weiter Sorgen machen zu müssen, wo sich C. J. dem Unglück geradezu selbstmörderisch in die Arme warf. Was C. J. anging, so war die emotionale Distanz, die seit dem Vorfall zwischen ihnen entstanden war, sogar willkommen. Sie hatte ihr eigenes Päckchen zu tragen; sie konnte sich nicht auch noch den emotionalen Ballast der anderen aufbürden. Genauso war es mit all den Bekanntschaften aus ihrem alten Leben gegangen, egal wie eng sie einmal gewesen waren. Selbst mit Marie hatte sie seit Jahren nicht gesprochen.
Sie trank den letzten Schluck Kaffee und schlug die dicke Mappe mit den Polizeiberichten auf. Die Ecken des Durchschlagpapiers waren vergilbt, und die Buchstaben verblassten. Das Datum auf dem ersten Bericht war Donnerstag, 30. Juni 1988,9:02 Uhr. Die Uhr drehte sich zurück, als wäre es gestern gewesen, und heiße Tränen liefen ihr über das Gesicht. C. J. wischte sie mit dem Handrücken weg und begann von der Nacht zu lesen, in der sie vor zwölf Jahren vergewaltigt worden war.
23.
«Falconetti, bist du da? Dom?»
Das Funkgerät an Dominicks Gürtel hatte sich eingeschaltet. Auf dem Display stand «Special Agent James Fulton».
«Ja, ich bin da, Jimbo. Schieß los.» Auf der Suche nach einer Beweismitteltüte ging er aus dem Bad ins Schlafzimmer rüber. «He, Chris, wo sind die Beutelchen?»
Chris drückte ihm ein Bündel mit durchsichtigen Plastiktüten, dem roten Band und weißen Etiketten in die Hand, und Dominick kehrte ins Bad zurück.
«Wir haben hier was echt Interessantes im Schuppen hinterm Haus. Wo steckst du?» Jimmy Fulton hatte einen starken, nicht immer leicht verständlichen Südstaatenakzent. Er gehörte zu den Älteren, ein beschlagener Ermittler, der seit sechsundzwanzig Jahren beim FD LE war und es zum Special Agent Supervisor bei der Drogenfahndung gebracht hatte. Seine Erfahrungen mit schweren Verbrechen und Haussuchungen machten ihn unersetzlich.
«Ich bin oben im Bad. Ich habe selber gerade eine kleine Sensation gefunden. Bantling hat eine ganze Flasche Haloperidol in der Schublade, besser bekannt als Haldol.»
«Haldol? Kriegt man das nicht, wenn man ne Schraube locker hat?» Dominick sah ihn förmlich vor sich, wie er an seinem dichten grauen Bart zupfte, unter der schwarzen Sonnenbrille, die er selbst im dunkelsten Schuppen nicht absetzte.
«Genau, Jimbo. Du sagst es. Und ein Arzt in New York hat es unserem Freund verschrieben.» Dominick ließ das Fläschchen in eine der Tüten fallen und versiegelte sie.
«Halleluja! Aber ich glaube, ich setz noch eins drauf.»
«Ach ja? Wie das?» Er klebte ein Etikett auf den Beutel und schrieb mit einem schwarzen Stift seine Initialen darauf, DF.
«Eins nach dem anderen. Sieht aus, als wollen uns die Freunde von der Bundespolizei gerade einen Anstandsbesuch abstatten, Dom. Sie stehen draußen auf der Straße, schütteln Hände und tätscheln Kindern die Wange. Und natürlich geben sie der Presse auch gratis Interviews über den Stand ihrer Ermittlungen.»
Dominick biss sich auf die Lippe. «Du willst mich auf den Arm nehmen, Jimbo. Bitte sag, dass das nicht wahr ist.»
«Leider doch, mein Freund, leider doch.» – «Wer ist es?»
«Lass mich mal sehen. Übrigens, der Beach Boy, der an der Haustür Wache hält, hat sie nach ihrer Visitenkarte gefragt! Ist das zu glauben? Er hat sie nicht reingelassen, und jetzt stehn sie auf dem Rasen und schlagen Krawall. Erinner mich dran, Chief Jordan vom Beach Department anzurufen, damit er dem Knaben einen Bonus gibt.»
Dominick war jetzt wieder im Schlafzimmer und sah aus dem Fenster. Es stimmte, die beiden Blues Brothers vom Causeway standen jetzt mit ihren dunklen Sonnenbrillen neben der Bougainvillea auf dem manikürten Rasen und taten sich wichtig. Sprachen hektisch in ihre Telefone und machten sich Notizen. Sie sahen aus wie Mulder und Scully – im Fummel. Im Fließtext des Livemitschnitts bekämen die MSNBC und CNN– Zuschauer jetzt zu lesen: FBI–Ermittler übernehmen den Fall von den Behörden des Staates Florida. Oder besser: Polizei wird wieder einmal vom FBI in die Pfanne gehauen. Natürlich hatten sie so vorm Haus geparkt, dass sie die Wagen der Spurensicherung blockierten.
«Also, Dom, ich habe
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