Cupido #1
gekommen. Die Mitglieder der Sonderkommission nahmen Kontakt zu Freunden und Angehörigen in England auf, aber keiner schien sich recht an den ruhigen, mürrischen Jungen zu erinnern. Sie fanden weder Schulfreunde noch sonstige Kumpel. Einfach niemanden.
Am Samstagabend zogen Dominick und Manny durch die Clubs, in denen die Mädchen von der «Mauer» zum letzten Mal gesehen worden waren: Crobar, Liquid, Roomy, Bar Room, Level, Amnesia, Clevelander. Sie vernahmen noch einmal alle Barkeeper und das Servicepersonal, diesmal hatten sie Farbfotos dabei. Bantling, das wussten sie bereits, war in der Clubszene bekannt. Und mehrere Kellnerinnen erkannten ihn als einen Stammkunden. Sie sagten, er sei immer todschick gewesen und hatte jedes Mal eine andere hübsche junge Blondine dabei. Doch nein, leider konnten sie ihn nicht mit einem der Opfer in Verbindung bringen, und keine wusste sicher, ob er am fraglichen Abend im fraglichen Club gewesen war.
Bantling passte auf die Beschreibung, die Elizabeth Ambrose, die Profilerin des FDLE, für Cupido zusammengestellt hatte, als sie noch auf der Suche nach dem Mörder waren: männlicher Weißer, fünfundzwanzig bis fünfundfünfzig Jahre alt, Einzelgänger, wahrscheinlich durchschnittlich bis gut aussehend, intelligent, beruflich erfolgreich, stressiger Job. Natürlich traf dieses Profil auch auf eine Menge anderer Männer zu, die Dominick kannte, sich selbst eingeschlossen. Aber die Teile fingen an zusammenzupassen, und der Fall wurde immer schlüssiger, je mehr sie herausfanden. Es gab einen ordentlichen Stapel Indizien, der sich las wie ein gutes Buch. Seine Freundinnen beschrieben Bantling als sexuellen Abweichler, einen arroganten, aggressiven Narzissten, der nicht mit Ablehnung umgehen konnte. Er hatte sadistische gewalttätige Neigungen und bevorzugte blonde Frauen. Er besuchte regelmäßig die Clubs, aus denen die Opfer verschwanden. Das Haldol aus seinem Bad konnte im Blut von wenigstens sechs der Opfer nachgewiesen werden. Als Hobby–Taxidermist stopfte er tote Tiere aus und arbeitete mit glatten Messern und Skalpellen, darunter die mögliche Mordwaffe. Und in seinem Schuppen war menschliches Blut gefunden worden, höchstwahrscheinlich das von Anna Prado, und Anna Prados verstümmelte Leiche hatte in seinem Kofferraum gelegen.
Was den gut aussehenden, vermögenden, erfolgreichen Mann auf derartige Abwege gebracht hatte, konnte man höchstens ahnen. Aber das musste Dominick nicht wissen, um den Fall vor Gericht zu bringen. Die Gründe spielten keine Rolle, solange die Verteidigung nicht versuchte, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Weil die Morde so schrecklich waren, könnte die Jury auf die Idee kommen, kein Mensch, der nicht komplett geistesgestört sei, wäre zu so etwas in der Lage. Und käme dann die Krankheitsgeschichte des Angeklagten auf den Tisch, hätte die Anklage ein echtes Problem. Dominicks Aufgabe war also nicht nur, Beweise dafür zu erbringen, dass Bantling die Morde begangen hatte, sondern auch Fakten zu sammeln, die dafür sprachen, dass Bantling jederzeit genau wusste, was er tat. Dass er die Konsequenzen seiner Handlung verstand und zwischen Richtig und Falsch unterscheiden konnte. Dass er die elf Frauen nicht gefoltert und getötet hatte, weil er wahnsinnig war, sondern weil er böse war.
Jetzt, um zehn Uhr am Sonntagabend, saß Dominick wieder in der dunklen Zentrale und betrachtete die Fotos an der «Mauer». Er versuchte, all die Fakten zu finden, die er brauchte, um das Buch zu Ende zu schreiben. Seit Dienstag waren fast siebzig Zeugen vernommen, drei Durchsuchungen gemacht, 174 Kisten mit Beweismaterial sichergestellt worden und Hunderte von Arbeitsstunden mit der Ermittlung draufgegangen.
Man musste wissen, wo man zu suchen hatte.
Wieder sah er sich die Luftbilder an, die blauen Pins, die die Fundorte der Mädchen kennzeichneten. Warum hatte Bantling diese Plätze ausgesucht? Was hatten sie zu bedeuten?
Dominick rieb sich die Schläfen und warf einen Blick auf sein Handy. Er hätte C. J. gern angerufen, doch er tat es nicht. Er hatte seit Mittwochabend nichts mehr von ihr gehört. Sie hatte nicht auf seine Nachrichten reagiert, und da er nicht aufdringlich sein wollte, hatte er aufgehört, welche zu hinterlassen. Offensichtlich machte sie im Moment etwas durch, woran sie ihn nicht teilhaben lassen wollte. Und offensichtlich war er vollkommen auf dem Holzweg gewesen, was sie beide anging. Er war erwachsen genug, um damit
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