Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
Vom Netzwerk:
habe, doch er verneinte keuchend.
    Ich vermutete, der Grund sei eine verdorbene Speise. So ließ ich Ghino bei dem Kranken und begab mich unverzüglich nach unten in die Spezerei, um dortselbst die Medikationen zuzubereiten. Zuvor jedoch ging ich in der Küche vorbei und fragte Fra Lupo, den Bruder Koch, ob er Kunde von anderen Brüdern habe, die unvermutet mit den nämlichen Anzeichen wie Giovanni erkrankt seien. Höchst empört, versicherte er mir, dass dem nicht so war. Auf meine Frage, ob Knoblauch in der Gemüsesuppe des Abends gewesen sei, antwortete er Ja.
    Mithilfe von Fra Ghino ließ ich Giovanni mehrmals warmes, mit Olivenöl, Salz und Dill vermischtes Wasser trinken. Auf diese Weise entleerten wir seinen Magen. Zur Linderung der Schmerzen verabreichte ich ihm darauf einen Trank aus Opium und Honig.
    Des ungeachtet verschlechterte sich Giovannis Zustand noch vor Morgengrauen. Der Unglückliche fing ob der Schmerzen so sehr an zu schreien, dass seine Schreie bis hinein in die Kirche gehört wurden, wo die Fratres die Laudes sangen. Sodann ward er von einem äußerst heftigen Zittern ergriffen, und ohne dass ich etwas hätte dagegen ausrichten können, verstarb er, als die Glocke die erste Stunde schlug.
    Giovannis Tod macht mich misstrauisch. Ich schließe nicht aus, dass er an der französischen Krankheit litt, wegen einiger Pusteln, die ich vor Zeiten auf seinem Handrücken gewahrte, doch ich bezweifle, dass der Morbus Gallicus der Grund für seinen Tod gewesen ist. Durchfall, Erbrechen und derartige Schmerzen sind, mit Ausnahme des Knoblauchodems, gegen welchen sich wegen der Gemüsesuppe nichts sagen lässt, die perniziösen Anzeichen für eine Vergiftung durch Arsen oder den Blauen Eisenhut.
    Als ich den Opiumtrank zubereiten wollte und zu diesem Behufe den armarium pigmentatorium öffnete, darin die medizinischen Stoffe und Gifte sich befinden, wollte mir scheinen, als sei der Schlüssel nicht am rechten Platze.
    Dies alles berichtete ich Fra Savonarola, dem Pater Prior, damit er entscheide, was zu tun sei.
    Florenz, am 17. November im Jahr Unseres Herrn 1494

    »Mehr steht nicht in dem ärztlichen Berichtsbuch?«, fragte Raisa.
    »Das ist alles, was ich finden konnte.« Pater Montague klappte den Kodex zu.
    »Fra Savonarola unternahm nichts?«
    »Aus den Verzeichnissen des Klosters geht das nicht hervor.«
    »Was war die französische Krankheit?«
    »Die Syphilis. 1494 wurde Italien von einer regelrechten Syphilisepidemie heimgesucht, angeblich von den Soldaten Karls VIII. eingeschleppt.«
    »Wer könnte Ihrer Meinung nach ein Motiv gehabt haben, Pater, wenn Pico wirklich ermordet wurde?«
    Pater Montague schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. Sie müssen den Tod Pico della Mirandolas vor dem Hintergrund einer sehr unruhigen Phase in der Geschichte von Florenz betrachten.«
    Noch an Picos Todestag marschierten die Truppen des französischen Königs Karl VIII. in Florenz ein, nachdem die Florentiner am selben Morgen Piero de’ Medici aus der Stadt gejagt hatten. Gerade in jener Zeit hetzte Fra Girolamo Savonarola, der 1494 Prior des Klosters war, mit seinen Hasspredigten das Volk auf, indem er einerseits gegen die Verderbtheit des Papsttums, besonders gegen Papst Alexander VI., und andererseits gegen die Medici wütete und die Schaffung einer theokratischen Republik in Florenz beschwor.
    »Pico della Mirandola geriet ins Kreuzfeuer unterschiedlichster Konfliktparteien«, sagte Pater Montague. »Viele hätten ihm den Tod wünschen können, vor allem nach dem Fall der Medici.«
    »Wie war die Beziehung zwischen Pico und Savonarola?«
    »Sie waren sich in jüngster Zeit zwar wieder nähergekommen, aber geliebt haben sie einander bestimmt nicht. Zwischen der unerbittlichen Intoleranz Savonarolas und der universalen Weltsicht Picos mit seinem Glauben an die friedliche Koexistenz unterschiedlicher Religionen konnte es keine Versöhnung geben.«
    »Halten Sie es für möglich, dass Savonarola ihn umgebracht hat?«
    »Nein, auf keinen Fall. Savonarola war ein Fanatiker, ein Aufwiegler, alles, was Sie wollen, aber ein Mörder war er nicht.«
    »Sie haben angedeutet, dass Savonarola Papst Alexander VI. nicht leiden konnte.«
    »Er hatte unzählige Gründe dafür. Alexander VI., mit bürgerlichem Namen Rodrigo Borgia, war einer der schlimmsten Verbrecher in der Kirchengeschichte.«
    Rodrigo Borgia habe sich die Wahl zum Papst erkauft, indem er die einflussreichsten der dreiundzwanzig Kardinäle des Konklaves

Weitere Kostenlose Bücher