Curia
Teile einer Öffnung mit regelmäßigen Umrissen kamen ans Licht. Eine Seite maß etwa fünfzehn Zentimeter, von den anderen waren nur wenige Zentimeter sichtbar.
»Das Loch ist rechteckig oder quadratisch«, sagte Théo, über den Spalt gebeugt, und bedeutete Konstantine, mit der Taschenlampe näher zu kommen.
»Siehst du etwas?«
»Da ist etwas Dunkles, aber ich kann nicht erkennen, was es ist.« Théo steckte einen Meißel in die Öffnung. Als die Spitze des Werkzeugs auf etwas Hartes stieß, erklang ein metallischer Ton. »Das könnte ein Gegenstand aus Eisen sein, vielleicht ein Behälter. Machen Sie schnell, Conte. Lassen Sie uns rasch das letzte Stück hochnehmen.«
» Caramba ! Ich sage Ihnen noch einmal, Monsignore, dass Fremde in den Dom eingedrungen sind! Entiende ?«
»Soll ich es Ihnen vielleicht auf Spanisch erklären?«, sagte der Erzbischof am anderen Ende. »Die Alarmanlage ist bombensicher. Auf der ganzen Welt gibt es keinen Dieb, der dort eindringen könnte.«
»Warum weigern Sie sich so hartnäckig, meinem Informanten zu glauben?«
»Gütiger Himmel! Ich wurde selbst gegen eins durch das laute Palavern eines Trottels geweckt, das von der Piazza herkam, aber mein Kammerdiener hat mir gesagt, es sei ein Betrunkener. Ihr Informant hat sich irreführen lassen, das ist alles.«
»Meinen Glückwunsch. Eine Erklärung wie aus dem Handbuch der Psychoanalyse. Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie nicht beabsichtigen, etwas zu unternehmen?«
»Dazu besteht doch gar kein Anlass, guter Mann! Nun beruhigen Sie sich mal wieder. Trinken Sie eine warme Milch, und gehen Sie wieder schlafen.«
» Muy bien . Sie lassen mir keine Wahl. Ich werde Seine Heiligkeit wecken müssen. Sind Sie bereit, die Verantwortung zu übernehmen?«
Am anderen Ende entstand eine Pause.
» Hola? Hola? Haben Sie mich gehört, Monsignore?«
»Ich bin ja nicht taub! Nun gut, Sie haben gewonnen. Ich lasse sofort Don Feliciani wecken – seine Segenswünsche höre ich jetzt schon –, aber morgen früh bin ich dran mit Telefonaten, und ich weiß schon, wen ich anrufe. Nicht mal mehr schlafen lassen sie einen, diese Typen vom Opus Dei, bei denen piept’s doch!«
Der Conte schob die Klinge unter das dritte Stück und ließ sie schnell vor und zurückgleiten. Er hob es an und entfernte den restlichen Mörtel. Im Schein der Taschenlampe tauchte ein regelmäßiger, rechteckiger Umriss auf.
Von den hohen Bogen der Seitenschiffe aus blickten alle Päpste der Geschichte auf die drei Männer herab, die sich über die Intarsie des Hermes Trismegistos beugten.
Im Büro von Monsignore Guzman klingelte das Telefon.
»Ja? … Das bin ich. Was ist passiert? … Einer unserer Numerarier? Warum? … Dios mio … Nein, ich habe keine Ahnung … Wir schicken sofort jemanden hin … Gracias .«
»Wer war das, Monsignore?«, fragte Pater Pinkus.
»Ein Polizeikommissar aus Siena. Santi ist tot. Man hat ihn auf dem Kirchplatz vor dem Dom erschossen.«
»Was?«
Mit seinem Kugelschreiber auf die Schreibtischplatte trommelnd, berichtete der Monsignore Pinkus, was ihm der Commissario mitgeteilt hatte.
»Mein Gott, Monsignore, wer könnte ein so grausames Verbrechen begehen? Der Archäologe? Nein, unmöglich.«
»Hier hat noch jemand anderes seine Hände im Spiel.«
»Wer denn?«
»Ich weiß es nicht.« Gedankenverloren ließ der Monsignore seinen Rosenkranz baumeln. »Doch ich habe mich von Anfang gefragt: Cui prodest ?«
»Nun, Monsignore, wenn es darum geht, tut mir leid, dass ich das sagen muss, aber der Tod des Kardinals kam der Kirche durchaus nicht ungelegen.«
»Fahren Sie fort.«
»Jerusalem und Riad haben dieselben Interessen wie wir. Und für die Juden steht die Existenz Israels auf dem Spiel. Wissen Sie, was ich meine, Monsignore? Entweder sie oder wir, die Kirche.«
»Ein doppeltes Spiel im Inneren der katholischen Kirche?«
»Monsignore, Sie selbst haben es tausendmal gesagt: ›Gott, beschütze mich vor meinen Freunden, denn gegen meine Feinde verteidige ich mich schon selbst.‹«
Guzman schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum, aber irgendetwas an der Sache überzeugt mich nicht.«
»Aber was bleibt, wenn wir das spirituelle Motiv ausschließen?«
»Das spirituelle Motiv?« Guzman grinste spöttisch. » Pecuniae obediunt omnia , Pater. Auch im Buch Ekklesiastes steht geschrieben, dass alles dem Geld gehorcht. Rein ökonomisch betrachtet, ist der Katholizismus keine Religion: Er ist ein Industriebetrieb.« Der
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