Curia
Böses getan?«
General Morgenstern blieb stumm, während er sich mit einem Finger über seine Adlernase strich.
»Was sind Sie bloß für ein Jude?« Rabinovitch warf Morgenstern einen zornigen Blick zu. »Wie können Sie nur so ungerührt dasitzen?«
»Was soll ich denn tun? Verzweifeln? Ich bin Soldat.«
»Zuallererst sind Sie Jude.«
»Glauben Sie, Ihre Klagemauergesänge machen aus Ihnen einen besseren Juden, als ich es bin?«
»Aber Sie werden doch irgendetwas zu diesem Papyrus zu sagen haben!«
»Das Erste, was mir dazu einfällt, ist, dass es sich um eine Übersetzung durch die Schreiber der Bibliothek von Alexandria handelte, und zwar in einer Zeit und an einem Ort, wo die Juden wieder einmal verhasst waren.«
Rabinovitchs Miene hellte sich auf. »Gott sei gedankt! General, Sie haben recht. Warum habe ich nicht daran gedacht? Das ist eine Fälschung, ein weiterer Betrug der Heiden, um uns in den Augen der Welt zu diskreditieren!« Er warf sich auf die Knie und hob die Arme zur Decke. »Herr, wie konnte ich nur zweifeln? Sh-ma Yisroael, Adonai elohaynu, Adonai echud .«
»Es könnte aber auch wahr sein«, sagte der General.
Der Singsang hörte schlagartig auf, ein Ausdruck der Bestürzung trat auf Rabinovitchs Gesicht. »Was tun wir in dem Fall?«
»Wir wissen jetzt, wo das Grab ist. Buchstabieren Sie mir den Namen dieses Ortes noch einmal.« Der General schrieb den Namen auf einen Zettel. »Jetzt lesen Sie mir noch einmal Wort für Wort den Passus über den Weg des Sonnenstrahls vor.«
Während Rabinovitch übersetzte, machte sich Morgenstern Notizen. »Wiederholen Sie das Datum.«
»Jahr eins von Tutanchamun, erster Monat der Saatzeit, zehnter Tag.«
»Shapiro wird uns erklären, welcher Tag und Monat das in unserem Kalender sind. Wir müssen vor den anderen zu dem Grab gelangen und es zerstören.«
»Dorthin? Aber das ist unmöglich, General.«
»Unmöglich? Unmöglich ist das, was keiner tun kann, bis es eines Tages doch jemand tut.«
»Und die hier?« Rabinovitch zeigte auf den Papyrus und das Pergament. »Wo verstecken wir die?«
»Verstecken? Ich habe eine bessere Idee.«
Der General nahm Papyrus und Pergament und ging zum Waschbecken. Er holte ein Feuerzeug heraus und zündete es.
»Sind Sie verrückt geworden?« Rabinovitch sprang auf und packte den General am Arm.
»Wer ist der Verrückte?« Der General riss sich los. »Begreifen Sie nicht, was dieser Papyrus für Israel bedeutet, wenn er in den Schlagzeilen landet?«
Rabinovitch sackte in sich zusammen. Morgenstern hielt die Flamme an den Papyrus und das Pergament. Sie ergriff die Ränder, und schon bald züngelten die Flammen um die Blätter, die sich rasch zusammenrollten. Hieroglyphen und griechische Buchstaben verschwanden im schwarzen Ruß. Der General ließ die brennenden Reste ins Waschbecken fallen, wo die Flammen erloschen. Dann zerstieß er die verkohlten Schnipsel mit einem Stift und öffnete den Wasserhahn. Der Wasserstrahl riss die letzten Aschereste mit sich.
»Noch sind wir das auserwählte Volk«, sagte der General. »Aber wie lange noch? Die Antwort hängt davon ab, wer als Erster dieses verfluchte Grab findet.«
Die Schiffsmotoren liefen mit voller Kraft, und in der Ferne leuchteten die Lichter der türkischen Küste durch die Dunkelheit.
Im Funkraum beugte sich General Morgenstern, einen Kopfhörer auf dem Kopf, über ein Mikrofon. Die Wanduhr zeigte 02:20 Uhr.
»Und Sie rufen mich um diese Uhrzeit an, um mir eine solche Frage zu stellen?«, fragte Shapiro am anderen Ende.
»Glauben Sie, ich hätte angerufen, wenn es sich nicht um einen Notfall handelte? Das Datum ist der zehnte Tag des ersten Monats der Saatzeit im Jahr eins von Tutanchamun. Soll ich in der Leitung warten?«
»Rufen Sie mich in einer Viertelstunde zurück.«
Nach einer Viertelstunde wählte der General erneut die Nummer. »Nun, Shapiro?«
»Das Datum entspricht dem 6. Tishrei unseres Jahres und dem 28. September des Kalenders der Heiden.«
»Der 6. Tishrei?« Morgenstern sah auf den digitalen Kalender an der Wand. »Dann fehlen ja nur noch sechzehn Tage. Sind Sie ganz sicher?«
»Sicher, wenn man das Jahr 1332 vor Christus als erstes Jahr der Regierungszeit Tutanchamuns nimmt.«
»Und wenn man von anderen möglichen Daten ausgeht, was wären das Maximum und das Minimum?«
»Es könnten vier Jahre mehr oder weniger sein, was dann in Bezug auf den 6. Tishrei einen Tag mehr oder einen Tag weniger bedeuten würde. Darf ich mit
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