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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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beneide ich dich nicht. Jedenfalls sehe ich nicht, was Echnaton damit zu tun hat. Er mag ja ein Individualist gewesen sein, wie du sagst, aber er glaubte an seinen Gott, so seltsam das auch ist.«
    »Aton war nur eine Allegorie.« Théo erzählte ihm von Mayos Experiment. »Echnaton hatte etwas entdeckt, das mit diesem Pulver zu tun hat und mit dem Licht. Auch du hast diese Kegel in den Tempeln gesehen.«
    »Aber Théo, es gibt doch gar keine Beweise! Wie hast du selbst immer gesagt? In der Archäologie zählen nur die Fakten. Und selbst wenn du recht hast – was in aller Welt könnte er denn entdeckt haben?«
    Théo gingen Raisas Worte durch den Kopf: Für Jung war die Suche nach dem Stein der Weisen gleichbedeutend mit der Suche nach uns selbst .
    »Etwas so Wichtiges, dass es ihn bewog, all die Dinge zu tun, die er tat«, sagte Théo. »Und wenn es ihn die Krone kosten würde.«
    »Aber was denn, Théo, was denn?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines: Wenn es einen Ägypter gab, der es verdiente, die Zeremonie zu überstehen, bei der das Herz gewogen wird, dann war er es. Er lebte ›nach der Wahrheit‹, indem er, ohne Masken zu tragen, Maats Gesetz befolgte, und er bezahlte teuer dafür.«
    »Das ist es also, was du in dem Grab suchst? Es ist dir wichtiger als das Geheimnis um Moses und den Exodus. Aber was hoffst du denn zu finden?«
    Théo blickte auf seine Uhr. »Jetzt sind zwanzig Minuten vergangen, und da unten ist niemand vorbeigekommen. Los, wir fahren zurück.« Er ließ das Gehäuse der Uhr aufspringen – Au clair de la lune, mon ami Pierrot, prête-moi ta plume, pour écrire un mot … – und schloss es wieder.
    »Willst du mir endlich mal erklären, was dieses Liedchen zu bedeuten hat?«
    Theó machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kindheitserinnerungen.«
    »Quatsch! Ich kenne dich gut. Ich höre die Worte der Spieldose und sehe deinen Gesichtsausdruck. Du hoffst, dass irgendwo da oben doch jemand ist, nicht wahr? Hab ich’s dir nicht gesagt, elender Heuchler? Trotz deines Existenzialismus bist du in deinem Inneren«, Khalid bohrte seinen Zeigefinger in Théos Brust, »mehr Moslem als ich.«
    Sie stiegen wieder ins Auto. Der Toyota fuhr den Abhang hinunter, in die Richtung, aus der er gekommen war, nach Süden.

    Das Wasser des Roten Meeres malte einen kobaltblauen Strich an den Horizont, und die eintönige Wüstenlandschaft wurde zusehends durch Eukalyptusbüsche belebt. Die Piste wand sich in Serpentinen bergab auf einen Haufen sandfarbener Hütten zu, die eine windgetriebene Wasserpumpe überragte. Im Hintergrund zeichneten sich die Palmen der Oase Wadi Aynunah gegen einen kristallklaren Himmel ab.
    Sie parkten den Toyota im Schatten eines Gebüschs und gingen zum Lager. Ein paar um eine Wasserpfeife kauernde Beduinen blickten ihnen nach. Einer stand auf und verschwand zwischen den Zelten.
    Mit Sonnenbrille und blauem Seidenschal um den Hals kam Kassamatis ihnen entgegen. Seine Begrüßung war die eines vollendeten Gastgebers, er zeigte keine Überraschung. Er schien sich in der Wüste so wohlzufühlen wie in seinem Haus auf Ikaria. Mit einem Fingerschnippen dirigierte er zwei Beduinen zu dem Toyota. Sie luden das Gepäck ab und trugen es in zwei Zelte, die schon für Théo und Khalid vorbereitet waren.
    »Denk nicht, du hättest mich überzeugt«, sagte Théo. »Ich bin nur gekommen, um zu reden.«
    »Worauf warten wir dann?« Kassamatis wies mit einer einladenden Geste auf die Oase.
    Théo warf Khalid einen entschuldigenden Blick zu.
    Sie setzten sich in den Schatten, auf den Stamm einer Tamariske am Rand eines von Palmen umstandenen Gewässers.
    »Warum hast du deine Meinung geändert?«, fragte Théo. »Und jetzt möchte ich die Wahrheit hören, sonst verabschieden wir uns sofort.«
    »Als ich eingewilligt habe, hätte ich etwas hinzufügen sollen: Ich bin zu dem Tauschgeschäft bereit, aber zu meinen Bedingungen.«
    »Aha. Das bedeutet, ich bin derjenige, der seine Meinung ändern muss. Sehr bequem für dich.«
    »Warum, hängst du denn immer noch an deiner alten Leier: Gerechtigkeit und Wahrheit?«
    »So würdest du nicht reden, wenn es um deinen Bruder ginge.«
    »Wahrscheinlich nicht, aber mit zwei Unterschieden. Erstens würde ich auf die Wahrheit verzichten, und den Grund habe ich dir schon auf Ikaria erklärt. Niemand wird je an das glauben, was es in diesem Grab gibt, und ich weiß, wovon ich rede. Was die Gerechtigkeit betrifft, so ist sie das Letzte, was du in einem

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