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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Gericht finden wirst. Und glaub ja nicht, dass du mich täuschen kannst, Hamlet: Du suchst alles Mögliche, aber nicht Gerechtigkeit.«
    »Wie lauten die Bedingungen unserer Vereinbarung?«
    »Ich sage dir, wo das Grab ist, und leihe dir meine Beduinen für die Grabungen. Du verrätst mir das Geheimnis.« Kassamatis zündete sich eine Dunhill an. »Sobald du wieder aus dem Grab raus bist, vergisst du für immer, was du gesehen hast, und wir beide verabschieden uns.«
    »Ich vermute, die Bedingung, Schweigen zu bewahren, verdankt sich deiner Sorge um das spirituelle Wohl der Menschheit. Habe ich recht? Ich wette, diese Sorge raubt dir nachts den Schlaf.«
    Kassamatis nahm einen Zug und blies langsam den Rauch aus. »Es geht um Geld. Viel Geld. Wenn du in alle Himmelsrichtungen ausposaunst, was in dem Grab ist, geht der ganze Nahe Osten in die Luft, und ich bin ruiniert. Verstanden?«
    Irgendetwas stimmte da nicht. Die Antwort war logisch, aber die Wahrheit war eine andere, das spürte er. Er dachte an das Frost-Zitat auf Kassamatis’ Schreibtisch.
    »Warum sollte ich einwilligen?«, fragte Théo. »Nenn mir einen Grund. Nur einen.«
    »Das Wissen um ein Geheimnis, das die Träume der kühnsten Archäologen übertrifft, dich eingeschlossen.«
    »Schade, dass ich das Geheimnis für mich behalten muss.«
    »Irre ich mich, oder verbirgt sich hinter dem Wunsch nach Wahrheit und Gerechtigkeit eine Bestie namens Ehrgeiz?«
    »Verschon mich mit deinen Predigten. Das Gewand des Beichtvaters steht dir nicht.«
    »Vielleicht ist eine gute Predigt genau das, was du jetzt brauchst.« Kassamatis musterte ihn mit einem arroganten Lächeln. »Hast du je versucht, dich zu fragen, was du wirklich willst, wenn du in dein Inneres schaust?«
    »Willst du mich in Schubladen packen, wie alle anderen?«
    Warum war er so wütend? Ehrgeiz hatte nichts mit seinen Absichten zu tun. Vielleicht war es derselbe Grund, aus dem er der Puppe ohne Gesicht »Betrüger!« entgegengeschrien hatte, als sie die Karten austeilte? Ihm den Narren gab und sich den Eremiten. Wer war diese Puppe? Kassamatis? Oder er selbst?
    »Nehmen wir an, ich akzeptiere den Handel«, sagte Théo. »Wer garantiert dir, dass ich mein Wort halte?«
    »Idealisten flößen mir Vertrauen ein.«
    »Was du nicht sagst.«
    Kassamatis hätte sogar den Schöpfer persönlich nach seinem Personalausweis gefragt. Er hatte etwas vor, und das würde er tun, sobald sie im Grab gewesen waren und er das Geheimnis erfahren hatte. Théo hatte plötzlich das Gefühl, als umhüllte ihn die ewige Finsternis eines ägyptischen Grabes, sein Atem ging schwer, und Schweiß rann ihm über die Wangen.
    »Nun, hast du dich entschieden?«
    »Ich gebe dir morgen früh eine Antwort.«
    Kassamatis sah ihn scharf an. »Ich brauche sie vor Sonnenaufgang.«
    »Warum vor Sonnenaufgang?«
    »Weil morgen ein besonderer Tag ist.«
    »Was zum Teufel bedeutet das, ›ein besonderer Tag‹?«
    »Es bedeutet, dass wir mit dem Auto einen kleinen Ausflug in die Wüste machen, wenn du einwilligst. Du, ich und mein Führer.« Kassamatis warf den Zigarettenstummel ins Wasser. »Und zwar rechtzeitig, um den Sonnenaufgang zu bewundern.«

    An diesem Abend saßen er und Khalid neben Kassamatis an einem großen Feuer und sprachen über vieles, außer über das Grab. Die Beduinen brieten Hammelfleisch, das sie mit gekochtem Reis auf großen Teigfladen servierten. Das Wasser kochte sprudelnd in großen Kannen, der Duft von Pfefferminztee erfüllte die Luft, und der Widerschein des Feuers zuckte über die vom Mond beschienenen Dünen.
    Ein Windstoß ließ die Flammen auflodern, die Kufijas der Beduinen flatterten, und auf den Dünenkämmen erhoben sich Sandwirbel. Ein Beduine blickte zum Himmel auf, schnupperte in die Luft und sagte etwas auf Arabisch, während er auf die Dünen zeigte.
    »Der shamal ist im Anmarsch«, sagte Khalid und erhob sich, »der Sandsturm, den der Nordwind bringt.«
    »Was ist daran so Besonderes?«, fragte Théo.
    »Besonders ist daran, dass du, wenn du hier sitzen bleibst, in einer halben Stunde unter zwei Meter Sand begraben sein wirst.«
    Khalid hatte seinen Satz kaum beendet, als ein starker Windstoß das Feuer löschte und Mundtücher und Gläser wegfegte. Théo bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Der Sand peitschte ihm die Haut, drang in seine Augen, die Nase und die Ohren. Bald sah man nur noch wenige Schritte weit. Zwischen dem Heulen des Windes ertönten aus der Oase die Schreie der Kamele.

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