Curia
Lichtgeschwindigkeit? Hat Einstein nicht behauptet, nichts sei schneller als das Licht?«
»Die Physiker sagen, dass die Nichtlokalität ein Naturgesetz sei und Einstein nicht unbedingt unrecht habe.« Kassamatis verzog den Mund zu einer fragenden Grimasse.
Alles ist untrennbar mit allem verbunden. Théo fuhr sich durch die Haare. Das hatte auch Buddha gesagt. Die östlichen Mystiker, Hinduisten, Buddhisten und Taoisten, sagten alle dasselbe: Die Wirklichkeit war unteilbar, und alles war ein Teil von allem, beginnend beim menschlichen Geist, der mit der Materie verbunden sei.
Das Quantenpotenzial des Nullpunkts … War dies das Geheimnis der Kegel und des Weißen Pulvers? Die Welt in vier Dimensionen sehen zu können, schneller als mit Lichtgeschwindigkeit? Etwas, das die Grenzen von Raum und Zeit aufhob, indem es schlagartig ins Gestern, Heute und Morgen aller Galaxien des Universums versetzte? Und was sah man dort? Das, was es am Punkt Null der Zeit gegeben hatte, bevor alles begann? Und das sollten die Ägypter vor über dreitausend Jahren entdeckt haben? Unmöglich.
Das Flugzeug begann mit dem Sinkflug.
»Was ist los?«, fragte Théo.
»Aus technischen Gründen machen wir eine Zwischenlandung auf Ikaria. Das war so geplant. In einer halben Stunde fliegen wir weiter.«
Théo schaute aus einem Fenster und sah den Hafen von Agios Kirikos mit seinen weißen Häusern auf dem Halbkreis der Berghänge und die Ruinen der Festung Drakanos, die über die Klippen ragten. Das Flugzeug flog auf die Lichter der Landebahn zu.
54 Die Challenger 600 wurde wieder schneller. Das Kobaltblau und Smaragdgrün der Ägäis rasten hinter den Fenstern vorbei, die Motoren heulten auf, und das Flugzeug hob von der Piste ab.
Théo nippte an seinem Kaffee. Bells Gesetz mochte mathematisch unwiderlegbar sein, aber es blieb eine sinnlose Abstraktion. Das Universum war ein Bombardement aus Elektronen, Antiprotonen, Tachyonen und dem ganzen restlichen Zoo, die seit dem Urknall wie verrückt hintereinander herjagten. Nichtlokalität und implizite Ordnung in diesem kosmischen Tohuwabohu?
»Wenn Bell recht hat und alles ›nichtlokal‹ ist«, sagte Théo, »müsste ich in Echtzeit ›sehen‹ können, was an einem Tag vor sechs Millionen Jahren auf dem Saturn passiert ist oder was Echnaton in der Nacht seiner Flucht tat oder was die Kinder am Nachmittag des 19. Mai im Jahr 3480 im Jardin des Tuileries spielen. Es ist, als würde jede Zelle unseres Gehirns das gesamte Universum vom ersten Tag bis zum Ende aller Zeiten enthalten, ohne Grenzen von Raum und Zeit. Das ist doch total verrückt!«
»Verrückt für dich und für mich, die wir keine tibetanischen Mönche sind und die Welt nicht in vier Dimensionen sehen.« Kassamatis zündete sich eine Dunhill an. »Weißt du, wie Bohm die Erleuchtung der Mystiker beschrieb? Als eine Vision der impliziten Ordnung, ein von keinem Auge je wahrgenommenes Kreisen aller Quanten des Multiversums« – er zeichnete mit seiner Zigarette Rauchspiralen in der Luft –, »die mit Instantangeschwindigkeit miteinander kommunizieren.«
»Und die Wirklichkeit in all ihren Erscheinungsformen? Was sind wir beiden? Was ist diese Tasse Kaffee? Und diese Juwelen? Materie, eine Überlagerung von Quantenzuständen, eine Wahrscheinlichkeitswelle?«
»Bohm sagte, das Universum sei ein ständiger Wechsel zwischen der impliziten und der ›expliziten‹ Ordnung – der Realität, so wie wir sie sehen.«
Er habe das anhand eines Hologramms erklärt, wo jeder Punkt der Fotoplatte das gesamte dreidimensionale Bild enthält. Die Welt der Quanten sei ähnlich, aber dynamisch, eine Wirklichkeit, die sich ständig zwischen beiden Polen hin- und herbewege.
»Erinnerst du dich an den Spin der Elektronen auf den Bildern in unseren Schulbüchern, wo Pfeile nach links und rechts die Eigenrotation anzeigen?«, fragte Kassamatis.
Théo blickte vor sich hin. Ein Licht blendete ihn, und er hörte das Largo der 9. Symphonie von Dvořák. Ja, natürlich. Wenn das Gehirn wirklich ein Quantensystem war, dann bedeutete das … Alles interagierte mit allem – Raum, Zeit, der menschliche Geist – in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Wenn ein mögliches Seiendes dank der Quanten unseres bewussten Denkens Wirklichkeit wurde, war unser Geist mit allem anderen Sein verflochten, wie Buddha gesagt hatte. Waren wir selbst real oder nur eine Überlagerung von Wahrscheinlichkeitswellen, die verloren in einem holografischen
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