Cut
seinen Rausch ausgeschlafen. Ich bin überzeugt davon, dass er beim Aufwachen wieder ganz das alte, klar denkende Arschloch war.»
«Nach allem, was passiert ist, finde ich es beschissen, so was zu sagen, Rauser.» Ich stand auf. «Ich muss den Tatort sehen.»
Ich wartete nicht auf Rauser. Ich ging zu dem Lincoln, in dem die Leiche von Jacob Dobbs verborgen war. Ein Sarg auf Rädern.
Rauser hatte mich eingeholt und gab mir ein Paar Latexhandschuhe. «Na sicher. Du musst. Und wenn die Medien und der Chief dich hier an
meinem
Tatort sehen und deswegen
mein
Job gefährdet ist, egal, oder? Hauptsache, du kriegst, was du willst.»
«
Verpiss dich
.»
Er ging schnell neben mir hier und hielt seine Stimme gesenkt. «Scheiß auf die Ermittlung. Scheiß auf meinen Job. Scheiß auf mich. Keye will nicht drüber reden. Oder vielleicht willst du ja die Leitung hier übernehmen? Ist es das? Du kannst das besser als jeder andere, richtig?»
Ich blieb stehen. «Verdammt nochmal, Rauser. Du hast mich um Hilfe gebeten.»
«Ja, aber vielleicht war das ein Fehler, denn jetzt bitte ich dich aufzuhören.»
Ich knallte ihm die Handschuhe, die er mir gegeben hatte, wieder in seine Hand. «Okay. Ich geh nach Hause.»
I ch ging stundenlang nicht ans Telefon. Ein paarmal hörte ich Rausers Klingelton, aber ich ignorierte ihn. Ich war nicht mal sauer auf ihn. Ich war nur wütend, weil er recht gehabt hatte. Mit allem. Es war nicht das erste Mal, dass er mir vorgeworfen hatte, die beschissenen Dinge des Lebens zu romantisieren, vor allem meine Beziehung zu Dan. Ich werde total sentimental, wenn ich einsam bin, und vergesse völlig, wie das Leben mit Dan wirklich war. Ich glaube nicht, dass die menschliche Psyche dazu fähig ist, sich vollständig an Schmerz zu erinnern. Das hat natürlich seine Vor- und Nachteile.
Irgendwann gegen Mitternacht beschloss ich, dass es jetzt an der Zeit wäre, ein bisschen Stolz runterzuschlucken und Rauser zurückzurufen.
Seiner rauen Stimme war die Erschöpfung anzuhören. «Ich habe Dobbs’ Frau angerufen. Ein paar Polizisten sind zu ihr gefahren, damit sie nicht allein ist, wenn ich es ihr erzähle. Sie wirkte wirklich völlig ruhig, Keye, und dann gab es plötzlich einen Krach, als hätte sie das Telefon fallen lassen. Einer der Polizisten sagte mir, sie wäre ohnmächtig geworden.»
Ich überlegte, wie Rauser sich dabei gefühlt haben musste. Ich stellte mir den Schmerz von Dobbs’ Frau vor, als sie erfuhr, dass ihr Mann hatte sterben müssen. Ich kannte Jacobs Frau nicht persönlich. Ich wusste nur, dass sie die Soziologieabteilung an der Virginia University leitete und dass die beiden seit vielen Jahren verheiratet waren.
«Tut mir leid», sagte ich zu Rauser.
«Manchmal hasse ich diesen Scheißjob.» Ich hörte Rausers Schritte auf einem harten Boden, quietschende Angeln und das Zuschlagen einer schweren Tür.
«Wo bist du?»
«Pryor Street», antwortete er. Also war er im gerichtsmedizinischen Institut von Fulton County, in der Leichenhalle, einem seiner ungeliebtesten Orte.
Ich musste die ganze Zeit an den Lincoln denken. «War der Wagen gemietet?»
«Ja. Er ist jetzt bei der Spurensicherung. Das Muster der Blutspuren weist darauf hin, dass Dobbs im Wagen getötet wurde.»
«Verstehe ich nicht. Was hat er in der Gegend gewollt? Hat er jemanden mitgenommen? Wurde er gezwungen, dorthin zu fahren? Wollte er jemanden treffen?»
«Wir arbeiten noch daran. Ich weiß jedenfalls, dass er sein Hotel gegen zwölf Uhr mittags verlassen hat. Wir haben die Bewohner des Viertels befragt. Niemand von ihnen war mit Dobbs verabredet. Niemand kannte ihn, außer aus den Nachrichten. Und niemand kann genau sagen, wann der Wagen aufgetaucht ist. Mitten am Tag. Die meisten Leuten arbeiten. Über die drei Stunden zwischen dem Verlassen seines Hotels und dem Notruf haben wir keinerlei Informationen.»
Ich schloss die Augen. Ich konnte immer noch nicht ganz glauben, dass es einen Notruf wegen Jacob Dobbs’ Leiche gegeben hatte.
«Wie bei Brooks ist die Todesursache ein Stich in die Kehle. Aufgrund des Eintrittswinkels wissen wir, dass der Mörder auf dem Beifahrersitz saß und von dort zugestochen hat. Er muss Rechtshänder sein, sonst wäre die Klinge nicht mit solcher Kraft eingedrungen.»
«Er erhöht den Einsatz», sagte ich. «Die Bilder, die erangeblich macht, die Briefe, die E-Mail an mich, die Manipulation an meinem Wagen, das Beauftragen eines Floristen und nun ein angesehenes Opfer wie
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