Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
eigener sich Geist von einem Ausfall erhole. Wenn sie an die merkwürdig unpräzisen Beschreibungen in menschlicher Literatur dachte, mochte das durchaus zutreffen.
Unangenehmer als der unkoordinierte Zustand ihres Verstandes waren jedoch ihre Atembeschwerden. Etwas Schweres lag auf ihr und behinderte entscheidend ihre Lungentätigkeit. Das Objekt war weich und durchtränkte ihre Kleidung mit einer metallisch riechenden Flüssigkeit. Ihr verlangsamter Geist verdichtete die Fakten zu der Annahme, dass eine Leiche auf ihr lag. Und da ihre letzten Eindrücke darauf schließen ließen, dass sie angegriffen worden waren, ging sie vorläufig davon aus, dass es Chendais sterbliche Überreste waren, die ihr die Luft abdrückten. Viel zu langsam wurde ihr eine weit wichtigere Tatsache bewusst: Ihr Tarnzauber existierte nicht mehr. Und wenn der Tarnzauber zerstört war, musste ein Magier unter den Angreifern sein, womit die Wahrscheinlichkeit, es mit einfachen Straßenräubern zu tun zu haben, äußerst gering wurde.
Verstimmt registrierte sie, wie entscheidend ihr verlangsamter Verstand ihre Handlungsfähigkeit einschränkte. Ihr weiteres Vorgehen musste nun davon abhängen, wie der Konflikt geendet hatte. Doch wenn ihre Denkleistung weiterhin so unter ihrem körperlichen Zustand litt, würde sie Fehler machen, die sie sich nicht leisten konnte und die ihren Vater beschämen mochten. Herausforderungen waren zweifellos doppelt so spannend, wenn etwas wirklich Wichtiges auf dem Spiel stand.
Orkische Flüche von reizender Primitivität und das Fehlen von Kampfgeräuschen waren die einzigen Informationen, die ihre Sinne über den geruchsintensiven Körper auf ihr hinweg aufnehmen konnten. Ihre arcanen Fähigkeiten einzusetzen, erschien ihr unter dem Einfluss der Atemnot unangemessen riskant. Doch in allen wahrscheinlich zu nennenden Szenarien konnten ihre orkischen Begleiter nur dann ihre Umgebung mit kräftigen Flüchen erfreuen, wenn die Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen waren. Hroki beschloss, die Flüche zum ausreichenden Anhaltspunkt für die Sicherheit der Umgebung zu erklären.
Keuchend wuchtete sie die Leiche von sich herunter. Es war tatsächlich Chendai. Siebzehn Pfeile steckten in seinem Rücken und den Beinen. Ein oberflächliches Tasten im arcanen Feld brachte die Erkenntnis, dass der Tod schnell gekommen war. Hroki freute sich für ihn. Er hatte ein Ende gefunden, wie er es immer gesucht hatte; in seinen Augen war er als Held gestorben. Nun ja, sie würde eine Weile brauchen, um einen ähnlich loyalen, fähigen und interessanten Leibwächter zu finden. Wieder versuchte sie, das Blei in ihrem Verstand abzuschütteln, um endlich den Rest ihrer Lage zu erfassen. Etwas Aufregendes passierte und ausgerechnet ihr eigener Kopf versuchte, ihr den Spaß zu verderben.
Die Orks waren über den reglosen Körper der Kriegerin gebeugt und drückten ihre emotionale Erregung in überproportionaler Lautstärke aus. Zumindest nahm Hroki an, dass Cvon zwischen ihnen lag; sie konnte nicht mehr als einen Stiefel und die Doppelspitze der bemerkenswerten Waffe erkennen. Aber wo war Blok?
„Den Göttern sei Dank!“, sprach eine Stimme, die sie nur mit Verzögerung als die von Phalil erkannte, sie von hinten an. „Ihr seid unverletzt, Erhabene?“
Sie befand es nicht für notwendig, das Offensichtliche zu bestätigen. „Was ist passiert?“
„Wir wurden überfallen, Erhabene.“
Sie sah irritiert zu ihm hoch.
„Das ist mir nicht entgangen, Phalil.“ Begriffsstutzigkeit stand ihm nicht, befand sie.
„Entschuldigt, Erhabene. Etwa zehn Personen haben uns angegriffen. Die Menschenfrau wurde tödlich verletzt; vermutlich ist sie bereits tot. Euer Leibwächter wurde in Erfüllung seiner Pflicht getötet. Euer ... Tier hat die Angreifer danach in die Flucht geschlagen.“ Er wies in Richtung einer fünfzehn Meter hohen Anhöhe.
Cvon war tot? Mit schwerem Kopf tastete Hroki mit ihren magischen Sinnen nach dem unverwechselbaren Geist der Kriegerin. Schwer und dunkel ruhte Cvons arcanes Gewicht im Netz. Vielleicht etwas chaotischer als zuvor, aber unzweifelhaft vorhanden.
„Zauberin!“ Der Ork ... Loric hieß er wohl, wie ihr ihr viel zu langsamer Kopf mitteilte, walzte dröhnend auf sie zu. Seine Gesichtsfarbe hatte sich in ungesundes Hellgrün verschoben und seine Bewegungen wirkten etwas unkoordiniert. Vor allem Letzteres war aus der Perspektive einer neunzig Zentimeter hohen Etherna mehr als beunruhigend.
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