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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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als einmal hatte sie darüber nachgedacht, wie eine ganz unmittelbare, »authentische« Art des Agierens im Autoversum aussehen konnte: damit man tatsächlich »spürte«, wie es war, wenn man eines seiner Moleküle in die Hand nahm, in Stücke brach und neu zusammenfügte. Wozu sollte eine Welt gut sein, in der sich alles, was man berührte, in Plastik verwandelte? … Natürlich gab es einen Haken: Wie sollte man mit einem Molekül, das nur den Gesetzen des Autoversums gehorchte – der inneren Logik eines auf sich selbst beschränkten Computermodells –, unmittelbar interagieren, wenn man sich außerhalb des Modells befand? Etwa mittels kleiner, im Autoversum erst zu schaffender »Ersatzhände«, die als Manipulatoren dienten? Und woraus sollte man sie erschaffen? … Woher sollten die Moleküle kommen, die klein genug waren, eine komplizierte Struktur zu bilden, die nicht sofort jeden Maßstab sprengte? Selbst das kleinstmögliche stabile Polymer, das vielleicht als »Finger« dienen konnte, wäre schon halb so dick wie der Nutrose-Ring. Aber wie dem auch sei: Selbst wenn Experimentiermolekül und Ersatzhände gemäß den Gesetzen des Autoversums interagieren konnten, wäre nichts Authentisches an der Art und Weise, wie die Ersatzhände den Bewegungen von Marias Handschuhen gehorchten. Es war doch nichts gewonnen, wenn man einfach den Punkt, an dem die Regeln gebrochen wurden, an eine andere Stelle verlegte. Wo sie gebrochen wurden, das konnte man sich aussuchen – aber das war schon alles. Objekte des Autoversums zu beeinflussen hieß, seine Gesetze zu verletzen. Und wenn das auch sonnenklar war, so war es trotzdem höchst unbefriedigend.
    Sie speicherte das modifizierte Zuckermolekül optimistisch unter dem Namen Mutose. Sie verkleinerte den Maßstab der holographischen Darstellung um den Faktor zehn hoch sieben und ließ einundzwanzig winzige Kulturen von Autobacter lamberti entstehen, die sie in verschiedenen Zuckerlösungen kultivierte, angefangen bei reiner Nutrose über eine fünfzigprozentige Mischung bis hin zu reiner Mutose.
    Sie starrte auf die Reihe von Petrischalen, die schwerelos in der Arbeitszone hingen; der Inhalt prangte in verschiedenen Farben, die den Gesundheitszustand der Bakterien anzeigten. »Falschfarben« … aber der Ausdruck war eine Tautologie: alles, was man im Autoversum sah, war stilisiert, jede Farbe »falsch«, wie auf einer Art Karte, die bestimmte Eigenschaften einer Region durch bestimmte Farben wiedergab. Manchmal war das Bild mehr, manchmal weniger abstrakt – je nachdem, was der Rechner darzustellen versuchte; etwa in dem Sinne, wie eine Erdkarte, die den Gesundheitszustand der Bevölkerung verschiedener Länder beschreibt abstrakter ist als eine, bei der die Farben die Höhe über dem Meer oder die jährliche Niederschlagsmenge zeigen. Die Vorstellung, einen unverstellten und wirklichkeitsgetreuen Blick auf diese Welt werfen zu können, war schlicht und einfach unangebracht.
    Einige der Kulturen sahen bereits entschieden krank aus; ihr helles Blau war zusehends in ein stumpfes Braun übergegangen. Maria erzeugte ein dreidimensionales Diagramm, in dem für alle gegebenen Zuckermischungen die Zahl der Keime gegen die Zeit aufgetragen war. Die Kulturen mit nur einer Spur des neuen Zuckers wuchsen erwartungsgemäß fast ebenso schnell wie die Kontrollkultur. Mit steigendem Mutose -Gehalt verlangsamte sich das Wachstum, bis es bei einer Konzentration von fünfundachtzig Prozent stagnierte. Jenseits dieses Wertes nahm die Zahl der Mikroben immer schneller ab. Kleine Dosen Mutose stellten also kein Problem dar, doch von einem bestimmten Wert an war die Substanz pures Gift für das Bakterium; ähnlich genug mit Nutrose – der üblichen Nahrung von A. lamberti –, um denselben Stoffwechselpfad zu einem Teil zu durchlaufen und um die abbauenden Enzyme zu konkurrieren und um die wertvollen biochemischen Ressourcen zu kämpfen – bis hin zu jenem kritischen Punkt, wo die in die falsche Richtung weisende blau-rote Gruppe sich als unüberwindbares Hindernis erwies: Sie paßte nicht in das aktive Zentrum eines wichtigen Enzyms und ließ das Bakterium mit nichts als einem nutzlosen Abbauprodukt und einem Verlust von Energie zurück. Eine Kultur mit einem Mutose -Gehalt von neunzig Prozent war ein Medium, in dem neunzig Prozent der Nahrung keinen Nährwert besaß, aber unterschiedslos zusammen mit dem kleinen Anteil lebenswichtiger Nutrose aufgenommen wurde. Zehnmal mehr zu fressen,

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