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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Unsterblichkeit.«
    Ungerührt erwiderte Durham: »Sehr richtig, das ist es ganz sicher nicht. Genau aus diesem Grund möchte ich Ihnen diese Garantie anbieten.«
    Riemann musterte ihn unbehaglich. Er hatte seine letzte Scan-Datei editiert, um die Spuren der Chirurgie an seinem Körper zu beseitigen; aber er hatte eine Narbe am rechten Unterarm zurückbehalten – ein kleines Andenken an seine Jugend, ein unschönes Erlebnis. Er strich geistesabwesend über die Narbe. Nie würde er die Erinnerungen vergessen, die mit ihr verbunden waren. Aber er erlaubte nicht, daß sie ihn jetzt ablenkten.
    Schließlich sagte er: »Wie soll ich das verstehen? Was könnten Sie denn tun für zwei Millionen Ecu, das Soliton nicht tausendmal besser kann?«
    »Ich könnte eine zweite Version von Ihnen betreiben – vor jeder erdenklichen Gefahr geschützt. Ich könnte Ihnen Sicherheit bieten, in jeder Hinsicht … gesellschaftliche Veränderungen, Meteoriteneinschläge oder was auch immer Sie sonst noch befürchten.«
    Riemann war für einen Augenblick sprachlos. Wovon sein Besucher da redete, war nicht unbedingt ein Tabu – aber so direkt und ohne Umschweife hatte er noch nie jemanden über dieses Thema reden hören. Er faßte sich schnell. »Ich denke nicht daran, eine Zweitversion von mir zu betreiben, besten Dank. Und überhaupt … was soll das heißen, ›vor jeder erdenklichen Gefahr geschützt‹? Wo wollen Sie Ihren unverwundbaren Computer denn unterbringen? Vielleicht in einer Erdumlaufbahn, wo ein kieselsteingroßer Meteor statt eines Felsbrockens genügt, um ihn zu zerstören?«
    »Nein, nicht im Orbit. Wenn Ihnen der Gedanke einer Zweitversion nicht gefällt, macht nichts. Sie könnten einfach umziehen. »
    »Umziehen? Wohin? Unter die Erde? Auf den Meeresgrund? Sie wissen doch nicht einmal, auf welchem Rechner dieses Büro implementiert ist – hab' ich recht? Wenn Sie nicht wissen, wie sicher mein jetziger ›Aufenthaltsort‹ ist, wie wollen Sie mir da mehr Sicherheit anbieten – noch dazu zu einem derart lächerlichen Preis!«
    Die Unterhaltung wurde immer unergiebiger, je länger sie dauerte. Ganz gegen seine Art wurde Thomas Riemann ärgerlich. »Nun machen Sie diesen haltlosen Behauptungen ein Ende – kommen Sie auf den Punkt: Was genau wollen Sie mir verkaufen?«
    Bedauernd schüttelte Durham den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen … noch nicht. Wenn ich es zu erklären versuchte, ohne daß Sie den Hintergrund kennen, dann würde es keinen Sinn ergeben. Der erste Schritt liegt bei Ihnen, Sie müssen etwas tun. Etwas sehr Einfaches.«
    »Ach ja? Und was?«
    »Sie müßten ein kleines Experiment durchführen.«
    Thomas runzelte die Stirn. »Was für ein Experiment? Und warum?«
    Und Durham – seine Softwarepuppe, die Marionette an den Fäden eines Puppenspielers aus einer anderen Dimension – sah ihm geradewegs in die Augen und sagte: »Sie müßten mich Ihnen zeigen lassen, wer und was Sie in Wirklichkeit sind.«
     

3
    (Zerhackter, verlangsamter Spielzeugmensch)
    Juni 2045
     
    Paul – oder der Mensch aus Fleisch und Blut, dessen Schatz an Erinnerungen er teilte – hatte die Geschichte der Kopien bis zur Jahrhundertwende zurückverfolgt. Damals hatten Wissenschaftler begonnen, die groben Computermodelle, die man bei der Ausbildung von Chirurgen und Pharmakologen benutzte, so zu verfeinern, daß maßgeschneiderte Abbilder von Patienten entstanden. Verschiedene Vorgehensweisen konnten erprobt, der Verlauf einer Behandlung vorhergesagt werden. Medikamente wurden zuerst am Modell getestet, bis die optimale Dosierung und mögliche individuelle Unverträglichkeiten ermittelt waren, ohne daß der Patient dabei Schaden nehmen konnte. Schwierige Operationen übte man in der Virtuellen Realität, an Softwarepatienten mit allen anatomischen Details bis hinunter zu den kleinsten Kapillargefäßen, die man aus den tomographisch gewonnenen Daten modellierte.
    Natürlich gehörte zu einem solchen Modell auch das Gehirn – in grober Annäherung, ausreichend für die Zwecke von Herzchirurgie und Immuntherapie und immerhin noch brauchbar bei der Behandlung größerer Hirnverletzungen und Tumore. Damals war ein solches »Gehirn« noch uninteressant für jene, die sich mit den Details seiner Funktion befaßten.
    Aber die Technik schritt voran, stetig und unaufhaltsam, und um das Jahr 2020 war man in der Lage, auch einzelne Nervenzellen tomographisch abzubilden und ohne Eingriff ins Gehirn die Funktion aller zugehörigen

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