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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Verantwortung trug und die Scherben wieder zusammensetzen mußte. Ein einziger Zeuge, der alles wußte.
    Der Gedanke, daß er am Ende diese Integrität aufgeben sollte, machte ihn schwindlig vor Furcht. Sie war das letzte Überbleibsel der Illusion, Mensch zu sein. Die letzte große Lüge.
    Um es mit Daniel Lebesgue, dem Begründer der solipsistischen Nation zu sagen: »Mein Ziel ist, alles zusammenzufassen, was man gemeinhin menschlich nennen könnte … und es zu Staub zu zermalmen.«
    Er kehrte in seinen Körper auf dem Stuhl zurück und sagte: »Ich werde mitgehen.«
    Kate lächelte, hob sein schlagendes Herz an ihre Lippen und gab ihm einen langen, sehnsüchtigen Kuß.
     

6
    (Zerhackter, verlangsamter Spielzeugmensch)
    Juni 2045
     
    Als Paul erwachte, war seine Verwirrung verflogen. Wie selbstverständlich zog er sich an, frühstückte und versuchte, Optimismus zu spüren. Er hatte seine Bereitschaft zur Kooperation gezeigt. Jetzt war es an der Zeit, eine Gegenleistung einzufordern. Er ging ins Arbeitszimmer, schaltete das Terminal ein und wählte seine Telefonnummer. Der Dschinn antwortete sofort.
    »Ich möchte mit Elisabeth reden«, sagte Paul.
    Zschwitt. »Das geht nicht.«
    »Es geht nicht? Warum fragst du sie nicht einfach?«
    Zschwitt. »Das kann ich nicht; sie weiß nicht, daß du existierst.«
    Paul starrte ihn böse an. »Erzähl mir keine Lügen, das ist Zeitverschwendung. Ich wollte ihr alles erzählen, sobald ich eine funktionierende Kopie …«
    Zschwitt. Trocken unterbrach ihn der Dschinn: »So war es gedacht.«
    Pauls Selbstsicherheit schwand. »Du willst mir erzählen, daß dein großer Plan endlich gelungen ist – und du hast nicht einmal dieser Frau davon …«
    Zschwitt. Durhams Gesicht war eine reglose Maske. »Ich möchte nicht darüber reden. Können wir mit dem Experiment beginnen? Bitte?«
    Paul öffnete den Mund, wollte protestieren – und merkte verblüfft, daß er nicht wußte, was er sagen sollte. Sein Ärger und seine Eifersucht waren wie weggeblasen, hatten einem Gefühl von … Verlegenheit Platz gemacht. Als wäre er soeben aus einem weitschweifigen Tagtraum erwacht, der ihn in den Armen der Frau eines anderen gezeigt hatte. Paul und Elisabeth.   Elisabeth  und Paul.  Was zwischen den beiden geschah, ging ihn nichts an. Welche Erinnerungen auch in seinem Kopf herumspukten – diese Dinge gehörten nicht in das Leben, das er jetzt führte. Nicht mehr.
    Er sagte: »Aber sicher, laß uns weitermachen. Die Zeit ist kostbar. Apropos Zeit: Bist du gestern nicht fünfundvierzig geworden? Herzlichen Glückwunsch!«
    Zschwitt. »Danke, aber du irrst dich. Ich habe ein wenig am System gespielt, während du geschlafen hast. Ich habe die Simulation vereinfacht und ein wenig getrickst, und heute ist erst der vierte Juni. Du hast in nur zehn Stunden Echtzeit immerhin sechs Stunden geschlafen – hervorragende Leistung, denke ich.«
    Paul war außer sich. »Du hast kein Recht, so etwas zu tun!«
    Zschwitt. Durham seufzte. »Beruhige dich. Was hättest du an meiner Stelle getan?«
    »Mir ist nicht nach Scherzen zumute!«
    Zschwitt. »Du hast lediglich ohne Körper geschlafen. Ich habe in der Zwischenzeit die Stoffwechselprodukte viel schneller aus deinem Blut gerechnet, als es physiologisch möglich gewesen wäre.« Der Dschinn wirkte verunsichert. »Im Vergleich zu den Experimenten ist das doch nicht schlimm, warum regst du dich so darüber auf? Du bist schließlich aufgewacht, als hättest du ganz normal ausgeschlafen.«
    Paul hatte sich wieder unter Kontrolle. Er mußte aufpassen, daß er nicht verriet, wie leicht sein Selbstbewußtsein zu erschüttern war. Das Gefühl, daß jemand einfach so die Hand in sein Universum stecken und ihn von überflüssigen Organen befreien konnte, war fast unerträglich. Trotzdem, je weniger dieser Mistkerl um die Ängste seiner Kopie wußte, desto besser; er würde es nur zu seinem Vorteil ausnutzen.
    Paul sagte: »Es stört mich, weil die Experimente wertlos sind, wenn du nach Lust und Laune manipulierst. Präzise, kontrollierte Veränderungen – das ist es, worauf es ankommt. Versprich mir, daß das nicht wieder vorkommt.«
    Zschwitt. »Du warst derjenige, der sich über die Zeitverschwendung beschwert hat. Wir sollten darum bemüht sein, unsere Mittel nicht vorschnell aufzubrauchen.«
    »Möchtest du, daß ich weitermache? Oder willst du wieder von vorne anfangen?«
    Zschwitt. Der Dschinn sagte ruhig: »Na schön, du brauchst mir nicht zu drohen.

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