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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Welt draußen vorzustellen, die für ihn jetzt aus gemischten Fragmenten zehn verschiedener Zeitperioden bestand. Das Schwierige daran war nur: Dieses äußere, scheinbar zitternde Universum enthielt den Rechner, der das gesamte Modell betrieb und die Infrastruktur kontrollierte, auf der alle anderen Ereignisse basierten. Wenn sein geordnetes Zeitgefühl in Scheiben zerschnitten worden war, was hielt ihn denn zusammen, befähigte ihn, sich mit der Frage auseinanderzusetzen?
    »Jeder zwanzigste Takt. Zwanzig Durchläufe.«
    Neunzehnmal Amnesie, neunzehnmal Neubeginn.
    (Außer natürlich, er war die Kontrollperson.)
    »Jeder hundertste Takt. Einhundert Durchläufe.«
    Er verlor jede Vorstellung von dem, was mit ihm geschah. Er zählte nur noch.
    »Pseudo-zufällige Ordnung der Zustände.«
    »Eins … Zwei … Drei …«
    Er war zu … Staub geworden. Einem außenstehenden Beobachter wären diese zehn Sekunden – seine zehn Sekunden – in zehntausend zusammenhanglose Momente zerhackt und in der Zeit verstreut erschienen. Innerhalb des Modells galt das gleiche für die äußere Zeit. Trotzdem spürte er keine Veränderung. Seine Wahrnehmung war ungestört, und irgendwie fand er seine Bestandteile und setzte sie aus den Fragmenten korrekt zusammen. Er war wie ein Puzzle zerlegt worden, aber für ihn erschien die Zerlegung und der Vorgang des willkürlichen Mischens seiner Zeitscheiben transparent. Auf irgendeine unerklärliche Art blieben die Scheiben miteinander verbunden.
    » … Acht … Neun … Zehn.«
    Zschwitt. »Du schwitzt.«
    »Wer ich? Beide?»
    Zschwitt. Der Dschinn lachte. »Was glaubst du?«
    Paul sagte: »Tu mir einen kleinen Gefallen. Das Experiment ist vorbei. Schalte einen von uns ab, Kontroll- oder Versuchsperson, mir egal.«
    Zschwitt. »Erledigt.«
    »Jetzt mußt du nichts mehr verbergen, oder? Also laß bitte noch einmal das pseudo-zufällige Experiment laufen, und bleib am Schirm. Und dieses Mal zählst du bis zehn.«
    Zschwitt. Durham schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht, Paul. Denk darüber nach: Eine nicht-sequentielle Berechnung ist unmöglich, wenn deine vergangene Wahrnehmung nicht bekannt ist.«
    Natürlich. Das Problem der zerbrochenen Vase.
    Paul sagte: »Dann zeichne dich auf und benutze die Aufzeichnung für den Versuch.«
    Der Dschinn schien sich bei der Vorstellung zu amüsieren, aber er war einverstanden. Er verlangsamte die Wiedergabe sogar so weit, daß sie für Paul zehn Sekunden dauerte. Paul beobachtete die verschwommenen Lippen und Kiefer sorgfältig und achtete auf das Auftreten von Weißem Rauschen.
    Zschwitt. »Jetzt zufrieden?«
    »Du hast mich zerhackt, nicht die Aufzeichnung?«
    Zschwitt. »Natürlich. Dein Wunsch war mir Befehl.«
    »Ja? Tu es noch einmal.«
    Durham schnitt eine Grimasse, aber er gab nach.
    Paul sagte: »Und jetzt zerhacke die Aufzeichnung.«
    Es sah immer noch unverändert aus. Logisch.
    »Noch mal.«
    Zschwitt. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    »Mach schon. Stell keine Fragen.«
    Paul sah zu. Die Haare in seinem Nacken sträubten sich. Er war überzeugt, etwas auf der Spur zu sein … nur was? Dem offensichtlichen Ergebnis, daß selbst die wildesten Vertauschungen – Permutationen – in den Beziehungen zwischen Modell und Realzeit von einer isolierten Kopie nicht bemerkt werden konnten? Er war sich dessen schon seit beinahe zwanzig Jahren sicher gewesen … jetzt hatte er den Beweis aus erster Hand. Sein Verstand war buchstäblich zerstückelt worden, doch er hatte keinerlei Auswirkungen gespürt. Die Erkenntnis war viel provozierender, als das abstrakte Wissen jemals hätte sein können.
    Er sagte: »Wann fahren wir mit den Experimenten fort?«
    Zschwitt. »Warum plötzlich so begierig?«
    »Es ist nichts. Ich will nur weiterkommen und endlich damit fertig werden.«
    Zschwitt. »Es ist nicht ganz einfach, die anderen Maschinen aufeinander abzustimmen. Die Netzwerksoftware ist nicht darauf eingerichtet, mit geographischen Spinnereien umzugehen. Es ist so ähnlich, als würdest du zu einer Bank gehen und Geld einzahlen – und verlangen, daß es nur in einem ganz bestimmten Rechner an einem bestimmten Ort gespeichert wird. Die Leute werden glauben, ich sei plötzlich verrückt geworden.« Paul spürte einen Stich, als er sich in Durhams Lage versetzte. Er erinnerte sich an seine Vorahnung dieser Schwierigkeiten. Sein Einfühlungsvermögen drohte in eine Identifikation mit Durham überzugehen, und er unterdrückte es gewaltsam. Sie beide

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