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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Man schaut nicht tatenlos zu, wenn jemand, den man liebt – der einen gelehrt hat, Fragen zu stellen und über die Welt nachzudenken –, sich kampflos der Gehirnwäsche ergibt.
    Sie sagte: »Es ist ihre Schuld. Sie haben dir beigebracht, diesen Unsinn zu schlucken. Wenn man genug davon gehört hat, ist man nicht mehr in der Lage, über irgend etwas vernünftig nachzudenken.«
    Francesca sah sie nur an, aber der vorwurfsvolle Blick war schlimm genug. Nun mußte sie auch noch ein schlechtes Gewissen haben … Wie konnte sie nur alles noch schlimmer machen, indem sie das Versäumte nachzuholen versuchte? Der Mutter, die den Tod vor Augen hatte, jetzt noch Vorwürfe zu machen … Aber sie würde nicht klein beigeben und jedem Konflikt aus dem Weg gehen, sie würde nicht bloß »hilfsbereit« und »nett« sein.
    Sie sagte: »Dieser ›Gott, Der Keinen Unterschied Macht …‹ – weil er die Ursache dafür ist, daß alles so ist, wie es ist … das soll uns Frieden geben, das Gefühl, eins zu sein mit dem Kosmos – habe ich recht?«
    Francesca schüttelte den Kopf. »Frieden? Aber nein. Es geht darum, die alten, überholten Vorstellungen von einem göttlichen Eingreifen in die Schöpfung zu vergessen – und nicht nach einer Rechtfertigung für seinen Glauben zu suchen oder nach einem Beweis für die Existenz Gottes.«
    »Und was braucht ihr dann? Ich glaube nicht – also was fehlt mir?«
    »Glauben?«
    »Ein Bedürfnis nach Tautologien?«
    »Laß die Tautologien in Frieden. Besser eine Religion auf der Basis von Tautologien als von Hirngespinsten.«
    »Das ist ja noch schlimmer als bloße Tautologien. Ein … willkürliches Umdefinieren von Worten, als würde man ›Alice im Wunderland‹ lesen. Oder George Orwell. ›Gott ist die Ursache jedes Seins – was immer dessen Ursache ist.‹ Deshalb habt ihr das, was ein normaler Mensch als die Gesetze der Physik bezeichnen würde, in G-O-T-T umbenannt – und weil dieses Wort so alt und vieldeutig ist, so viele Assoziationen birgt, wie irreführend sie auch sein mögen. Ihr behauptet, ihr hättet nicht das geringste mit den alten Religionen gemein: Warum greift ihr dann auf ihre Terminologie zurück?«
    »Wir leugnen nicht, daß dieses Wort eine lange Geschichte hat«, sagte Francesca. »Wir haben in vielerlei Hinsicht mit der Vergangenheit gebrochen – aber wir wissen auch um unsere Wurzeln. Gott ist eine Idee, die die Menschen seit Jahrtausenden beschäftigt. Daß wir diese Idee von primitivem Aberglauben und vom Wunschdenken befreit haben, schließt doch nicht aus, daß wir diese Tradition weiterführen.«
    »Aber ihr habt diese Idee doch gar nicht neu definiert, ihr habt ihren Sinn geraubt! Und das zu Recht – obwohl euch das völlig entgangen ist. Anthropomorphismen, Wunder, Gebete, die erhört werden, und anderes dummes Zeug habt ihr über Bord geworfen – aber ihr habt nicht bemerkt, daß nichts mehr übriggeblieben ist, was den Namen Religion verdient. Physik ist keine Theologie, auch Ethik nicht. Warum so tun, als wäre es das?«
    »Wie man so blind sein kann!« wunderte sich Francesca. »Wir reden von Gott aus dem einfachen Grund, weil wir es wollen. Tief in den Menschen gibt es ein Bedürfnis nach diesem Wort, dieser Idee. Man möchte es bewahren, auch wenn es – für jedermann ersichtlich – nicht mehr die Bedeutung wie vor fünftausend Jahren hat.«
    »Du weißt sehr gut, woher dieses Bedürfnis kommt! Es hat mit der tatsächlichen Existenz eines göttlichen Wesens nichts zu tun – es ist ein Produkt unserer Kultur und der Funktion unseres Gehirns. Ein Irrtum der Evolution, ein Irrweg der Geschichte.«
    »Natürlich ist es das. Gibt es irgend etwas typisch Menschliches, von dem man das nicht sagen kann?«
    »Und warum sich dann darauf einlassen?«
    Francesca lachte. »Warum sich überhaupt auf irgend etwas einlassen auf dieser Welt … Das Bedürfnis nach Religion ist doch kein Virus aus dem Weltraum, der unser Denken infiziert. Es ist auch nicht – wenigstens in seiner reinen Form, frei von allem Beiwerk – das Resultat einer Gehirnwäsche. Dieses Bedürfnis ist ganz einfach ein Teil von mir.«
    Maria schlug die Hände vor das Gesicht. »Wirklich? Wenn du so redest, erkenne ich dich kaum wieder.«
    »Hattest du noch nie den Wunsch, Gott zu danken, wenn es dir gutgeht? Bittest du Gott nie um die Kraft, die eine oder andere Schwierigkeit zu überstehen?«
    »Nein.«
    »Ich aber. Obwohl ich weiß, daß Gott ›Keine Unterschiede Macht‹. Und wenn Gott

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