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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Glenny
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er prahlte ein wenig zu viel mit seinen zweifelhaften Kreditkartengeschäften, und er bat seine Kollegen ständig um Darlehen oder Bonuszahlungen.
    Mert behauptete, er habe Toshiba auf Anweisung seiner Vorgesetzten beim Geheimdienst verlassen. Angeblich wollten sie sich bemühen, für ihn zur Tarnung eine andere Stelle zu finden.
    Kurz bevor er seine neue Stelle antrat, brachte sein Verbindungsoffizier ihm eine Festplatte, die Teil einer äußerst heiklen Ermittlung war. Der Geheimdienst wollte über jede Datei auf der Festplatte, ob sichtbar oder versteckt, zugänglich oder verschlüsselt, alles wissen. Die Festplatte gehörte einem leitenden Mitglied einer linksgerichteten Untergrundorganisation, die unter der Abkürzung DHKP/C bekannt war.
    Die DHKP/C war in den 1990er und frühen 2000er Jahren eine der gewalttätigsten und effektivsten Linksgruppierungen gewesen, die sich in der Türkei dem bewaffneten Kampf verschrieben hatten. Die revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (die Partei war der politische und die Front in der Theorie der militärische Arm) war eine Splittergruppe von Dev Yol, einer größeren Revolutionsbewegung, die in den 1970er und 1980er Jahren die Hauptleidtragende der militärischen Unterdrückung gewesen war.
    Diese Gruppe war keine Westentaschenmafia: Sie nahm ihre politischen Ziele und den Terrorismus ernst; ihr wichtigstes Ziel waren Angriffe auf die Zusammenarbeit zwischen dem NATO -Imperialismus, wie er abschätzig genannt wurde, und dem militärischen Establishment in der Türkei. Sie verübte erfolgreich Anschläge auf türkische, amerikanische und britische Staatsbürger, die entweder einflussreiche Geschäftsleute waren oder Verbindungen zum militärischen Establishment hatten. Im Gegensatz zu den meisten anderen linksmilitaristischen Gruppierungen verfügte sie über eine hoch entwickelte Gegenspionage, und damit war sie für den staatlichen Geheimdienst eine der heikelsten Zielgruppen.
    Bei einer Razzia hatten die Beamten einen Laptop sichergestellt. Diesen übergaben sie Mert in dem Gästehaus, wo man ihn zum ersten Mal befragt hatte und wo er jetzt immer arbeitete. Sein Kontaktmann erklärte, der Benutzer habe Zugang zu einer Website namens DarkMarket gehabt. Der Kontaktmann war ebenfalls ein Computerfreak und erzählte Mert, sie hätten die Verbindungen von DarkMarket bis zu einem Server in Singapur zurückverfolgt, der für ihn wie ein Proxy aussah. Jenseits davon hätten sie die digitale Spur verloren. Er wusste nicht, wer hinter der Site steckte, die Anhaltspunkte deuteten für ihn allerdings stark darauf hin, dass die DHKP/C sich am Carding beteiligte, um so möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, vielleicht aber auch um herauszufinden, wie man Botnets benutzt und wie diese der DHKP/C beim Erreichen ihrer Ziele nützlich sein könnten.
    Plötzlich war DarkMarket nicht mehr nur eine kriminelle Website, sondern es trug dazu bei, eine ausgewiesene Terroristenorganisation zu finanzieren.
    Der Kontaktmann wollte wissen, ob Mert irgendetwas über diese Site wusste.
    Mert wusste nichts. Auch er verfolgte den Server von DarkMarket bis nach Singapur zurück, aber so sehr er sich auch bemühte, weiter kam er nicht. Das war letztlich Grendels fachkundigen Bemühungen zu verdanken. Immerhin konnte Mert seinem Verbindungsmann aber mitteilen, dass er jemanden kenne, der vielleicht mit DarkMarket besser vertraut sei.
    Mittlerweile war Mert erschöpft. Der staatliche Geheimdienst erwartete stets, dass er solche Aufträge über Nacht erledigte. Sein neuer Arbeitgeber war der türkische Ableger von Fox TV . Fox Türkei war nicht zu 100 Prozent im Besitz von Rupert Murdochs News International, denn nach den türkischen Gesetzen musste ein Staatsbürger des Landes 51 Prozent der Aktien kontrollieren. Dieser Mehrheitsaktionär war ein früherer Diplomat, der bekanntermaßen Verbindungen zu Polizei und Geheimdienst pflegte. Merts Kollegen bei Fox merkten, dass er ständig abgelenkt war. Außerdem hatte er Schwierigkeiten, selbst einfache Aufgaben abzuschließen – und zwar nicht, weil er nicht dazu in der Lage gewesen wäre, sondern weil er gleichzeitig mit etwas anderem beschäftigt war.
    Einer von Merts Kontaktleuten hatte den jungen Mann gebeten, ein Auge auf einen gewissen Sadun Özkaya zu werfen, einen Teenager aus der Mittelschicht, dessen Eltern sich Sorgen machten, er könne auf die schiefe Bahn geraten. Er war gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, wo man ihn im Rahmen einer

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