an Punkt B fünf Kilometer entfernt. Manchmal verschwand er ganz aus Calgary, und dann wuchs die Befürchtung, er könne ein für alle Mal weg sein. Aber er kam immer wieder zurück, und nach einigen Monaten gelang Frizzell ein wichtiger Durchbruch. Er hatte Fähnchen in einen Stadtplan gesteckt und stellte fest, dass alle Internetcafés, die Dron benutzte, in der Nähe von Haltestellen der Light Rail Transit lagen, und zwar an der Linie, die von Somerset nach Crowfoot führt. Auch fielen ihm zwei oder drei Läden auf, die Dron offenbar bevorzugte. Nun hatte er genügend Informationen, um ein Observationsteam anzufordern. Dabei stieß er auf die üblichen Einwände, die Cyberpolizisten auf der ganzen Welt begegnen. Gibt es Opfer in Calgary? Welche Indizien haben Sie für kriminell erzielte Umsätze?
Frizzell erhielt seine Genehmigung, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum und mit sehr wenig Personal. Wenn er vom Secret Service einen Hinweis bekam, dass Dron online war, schnappte er sich in der Regel irgendjemanden aus dem Büro und machte sich in Richtung Light Rail Transit auf den Weg.
Über ein Jahr lang leistete der Detective in Calgary heldenhafte Arbeit. Dabei kreiste er die Verdächtigen immer mehr ein, bis er schließlich überzeugt war, den Mann gefunden zu haben. Was er nicht wusste: Er war nur eine von mehreren Speerspitzen einer größeren Operation des Secret Service, die sich nicht nur gegen Dron richtete, sondern auch gegen mehrere Zielpersonen in Europa. Der US -amerikanische Secret Service hatte Kontakt mit der SOCA in London und der OCLCTIC in Paris aufgenommen. »So arbeiten wir«, sagte Edwin Donovan, der Sprecher des Secret Sercice. »Wir nehmen Zusammenarbeit wirklich ernst und arbeiten mit den Polizeibehörden auf der ganzen Welt. Wir gehen zu der Behörde, die sich mit derartigen Verbrechen beschäftigt, und sagen, dass wir ihre Zielperson haben – und natürlich ist der Informationsaustausch in solchen Fällen der Schlüssel zu allem.«
Der Secret Service tauschte also Informationen mit der Polizei in Großbritannien, Kanada und Frankreich aus. Einer Gruppe von Beamten sagten sie jedoch immer noch nichts: ihren Kollegen beim FBI . Der offenkundige Groll, der zwischen den beiden amerikanischen Behörden herrschte, führte bei den Europäern zu Verwirrung – am Ende arbeiteten die Franzosen mit dem Secret Service und die Deutschen mit dem FBI zusammen, während die Briten höflich auf das Gleichgewicht zwischen beiden achteten. Das hatte etwas zutiefst Ironisches: Die einzigen Menschen auf der Welt, die wussten, dass das FBI und der Secret Service hinter derselben Zielperson, nämlich JiLsi, her waren, gehörten einer ausländischen Polizeibehörde an: der Serious Organised Crime Agency in London. Und es kam noch schlimmer: Den Beamten bei der SOCA wurde klar, dass die konkurrierenden amerikanischen Polizeikräfte sogar gegen die verdeckten Ermittler des jeweils anderen ermittelten und sie als Kriminelle verdächtigten. Schließlich setzte ein leitender britischer Beamter vorsichtig höhere Stellen in Washington in Kenntnis, dass das FBI und der Secret Service vielleicht ihre Differenzen zumindest für die Dauer der Ermittlungen beilegen sollten.
22 Mann, du hast es versaut
Baden-Württemberg, 2007
Es war ein angenehmer Abend Anfang Mai, aber Matrix 001 hatte keine Frühlingsgefühle. Die Außenwelt schien zu verschwinden und sein Mund wurde trocken, als er den Blick noch einmal über die E-Mail wandern ließ.
Deine Festnetzleitung ist angezapft.
Die Bullen aus Großbritannien, Deutschland und Frankreich sind hinter dir her … Verstecke die Beweise.
Warne die anderen … Die Bullen wissen, dass Matrix- 001 Detlef Hartmann aus Eislingen ist …
Du hast nur noch ein paar Wochen, dann schlagen die Bullen in England und Frankreich zu … Warne alle Carder, die du erreichen kannst.
Was hatte das zu bedeuten? Woher kam es? Er blickte noch einmal auf die Absenderadresse:
[email protected] . Die war vermutlich von einem Zufallsgenerator erzeugt. Und es war unmöglich, irgendetwas über den Verfasser herauszufinden, außer dass er offenbar fließend Englisch sprach.
Matrix entschloss sich, mit seinen Administratorenkollegen von DarkMarket und einigen anderen Vertrauten zu beraten. Er erkundigte sich, was sie davon hielten. Die Antworten waren seltsam einsilbig und in manchen Fällen fast gleichgültig. Eigentlich rieten sie ihm nur, die Augen offen zu halten.
Keith Mularski