Cyberspace
geschmeidigen Formen in einer chinesischen Kopie eines japanischen
Designer-Modells. Dunkle europäische Augen, asiatische Wangenknochen. Ich weiß noch, wie
du deine Tasche aufs Bett geleert hast später in einem Hotelzimmer und über dein Make-up
gegangen bist. Zerknülltes Bündel neuer Yen, schäbiges Adreßbüchlein, durch Gummibändchen zusammengehalten, Mitsubishi-Bankchip, japanischer Paß mit aufgedrucktem goldenen
Chrysanthemum und die chinesische 22er.
Du erzähltest mir deine Geschichte. Dein Vater war ein leitender Angestellter in Tokio gewesen, mittlerweile aber in Ungnade gefallen und verstoßen worden von Hosaka, dem größten Zaibatsu überhaupt. In jener Nacht war deine Mutter Holländerin, und ich hörte mir an, wie du für mich jene Sommertage in Amsterdam ausfabuliertest, wo die Tauben wie ein weicher brauner Teppich den Damm bedeckten.
Ich fragte nicht, was dein Vater getan hatte, um in Ungnade zu fallen. Ich sah dir beim Anziehen zu; beobachtete, wie dein dunkles, glattes Haar hin und her fiel, durch die Luft schnitt.
Jetzt werde ich von Hosaka gejagt.
Die Särge des New Rose stehen in einem Gerüst aus hellackiertem Recycling-Stahlrohr. Farbe blättert ab, wenn ich über die Leiter klettere, fällt bei jedem Schritt, wenn ich den Laufplanken folge. Meine linke Hand zählt die Sargdeckel, auf denen mehrsprachig Gebühren angedroht
werden, wenn man seinen Schlüssel verliert.
Ich schaue hoch, wenn die Jets von Narita aufsteigen und zur Heimat starten, die nun
unerreichbar wie der Mond ist.
Fox erkannte rasch, daß wir dich brauchen konnten, unterschätzte aber deinen Ehrgeiz. Freilich lag er nie eine ganze Nacht mit dir am Strand von Kamakura, bekam nie deine Alpträume zu
hören, eine ganze erdichtete Kindheit, die sich drehte und wendete unter den Sternen, wenn dein Kindermund sich auftat, um eine neue Version zu enthüllen, die - wie du jedesmal schwörtest -
wirklich und endgültig wahre.
Mir, der ich dich an den Hüften hielt, während der kühle Sand dich umschmiegte, war das egal.
Einmal gingst du weg, ranntest zurück zu jenem Strand, weil du unsern Schlüssel vergessen hattest. Ich bemerkte ihn in der Tür und lief hinter dir her und sah dich knöcheltief im Wasser stehen; da standst du, den runden Rücken steif, zitternd, den Blick in die Ferne gerichtet. Du konntest nicht sprechen. Schaudertest. Warst weggetreten. Zittertest um andere Zukünfte, bessere Vergangenheiten.
Sandii, du hast mich hier alleingelassen.
Hast alle deine Sachen hiergelassen.
Deine Kanone. Dein Make-up, diverse Lidschatten und einge-döstes Wangenrot. Deinen Cray—
Microcomputer, ein Geschenk von Fox, mit einer von dir eingetippten Einkaufsliste. Manchmal laß ich die runterlaufen und starre auf jeden Punkt, der da über den kleinen Silbermonitor spaziert.
Ein Kühlaggregat. Ein Fermentiergerät. Einen Incubator. Ein Elektrophorese-System mit
eingebauter Agarose und Durch-leuchtung. Einen Gewebepräparator. Einen Hochleistungs—
Flüssigkeitschromatographen. Ein Fließzytometer. Ein Spektro photometer. Vier Gros
Fläschchen Borsilikat-Szintillation. Eine Mikrozentrifuge. Und einen DNS-Synthesizer mit integ-riertem Computer. Plus Software.
Teuer, Sandii. Freilich bezahlte Hosaka die Rechnung. Später batest du sie sogar noch kräftiger zur Kasse, aber da warst du bereits weg.
Hiroshi stellte die Liste für dich zusammen. Im Bett vermutlich. Hiroshi Yomiuri. Maas Biolabs GmbH hatte ihn. Hosaka wollte ihn haben.
Ein heißer Bursche. EXTRA, und davon reichlich. Fox verfolgte Gentechniker, wie ein Fan die Spieler in einem Schlagerspiel. Fox war so scharf auf Hiroshi, daß er's schier schmecken konnte.
Er hatte mich schon dreimal nach Frankfurt rübergeschickt, bevor du auftauchtest, nur um 'nen Blick auf Hiroshi zu werfen. Nicht um ihn anzuwerben oder ihm auch nur vage Andeutungen
zuzuspielen. Nur um ihn ein bißchen zu beobachten.
Bei Hiroshi deutete alles darauf hin, daß er sich dauerhaft niedergelassen hatte. Er hatte ein deutsches Mädchen gefunden mit einem Tik für Loden und polierte kastanien-braune
Schaftstiefel. Er hatte ein renoviertes Stadthaus genau am richtigen Platz gekauft. Er hatte mit dem Fechtsport angefangen und Kendo aufgegeben.
Und überall die flexiblen, schwerbewaffneten Bewacher von Maas wie eine zähe, gläserne
Schutzhülle. Ich kam zurück und erklärte Fox, daß wir nie an ihn herankämen.
Das hast du für uns erledigt, Sandii. Und du hast ihn haargenau
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