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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Boutiquen, wo's nach neuer Kleidung riecht. Ich sehe deine Backenknochen an verchromten Regalen mit Pariser Ledermode entlangdefilieren.
    Manchmal halt ich deine Hand.
    Wir dachten, wir hätten dich gefunden, Sandii, aber an sich hast du uns gefunden. Jetzt weiß ich, daß du auf der Suche warst nach uns - oder jemand wie uns. Fox war entzückt, lächelte breit über unsren Fund: so'n hübsches neues Werkzeug, messerscharf. Genau das richtige, um 'ne zähe Scheibe EXTRA - Hiroshis EXTRA -vom eifersüchtig wachenden Elternorganismus der Maas
    Biolabs abzuschneiden.
    Du mußt lange gesucht haben, gesucht haben nach einem Ausweg in den vielen Nächten in
    Shinjuku drunten. Den Nächten, die du tunlichst aus dem lückenhaften Kartenspiel deiner
    Vergangenheit entfernt hast.
    Meine eigene Vergangenheit ist vor Jahren komplett verschütt gegangen. Ich verstand Fox'
    Gewohnheit, spät nachts seine Brieftasche zu leeren und durch seine Identitätskarten zu blättern.
    Er legte die Dinger in verschiedenen Mustern aus und sortierte sie um, bis sich irgendein Bild abzeichnete. Ich wußte, worauf er wartete. Das gleiche machtest du mit deinen diversen
    Kindheiten.
    Im New Rose wählte ich heut' abend aus deiner Vergangenheiten-Sammlung.
    Ich wählte das Original aus dem Kartenspiel, die berühmte Yokohama-Hotelzimmer-Version, die du mir in unsrer ersten Nacht im Bett vorgetragen hattest. Ich wählte den verstoßenen Vater, den Hosaka-Manager. Hosaka. Wie perfekt. Und die holländische Mutter, die Sommertage in
    Amsterdam, den weichen Teppich aus Tauben nachmittags auf dem Dam.
    Aus der Hitze von Marrakesch ins klimatisierte Hilton. Das durchschwitzte Hemd klebte naß am Rücken, während ich die Nachricht las, die du mir durch Fox hattest zukommen lassen. Warst voll drin; Hiroshi würde seine Frau verlassen. Es war für dich nicht schwierig, mit uns in Verbindung zu treten, obwohl es das durchsichtige, straffe Sicherheitsband der Firma Maas zu durchdringen galt; du hattest Hiroshi das beste Lokal für Kaffee und Kipferl gezeigt. Dein Lieblingskellner war ein weißhaariger, freundlicher Herr, der leicht hinkte und für uns arbeitete.
    Du legtest deine Nachrichten unter die Leinen-serviette.
    Den ganzen Tag heute beobachte ich schon einen Hubschrauber, der ein enges Gitter über meine Heimat zieht, meine Wahlheimat hier im New Rose Hotel. Beobachte vom Deckel aus, wie sein Schatten geduldig über den schmierigen Beton streift. Nicht weit weg. Gar nicht weit weg.
    Von Marrakesch flog ich nach Berlin. Ich traf mich in einer Bar mit einem Waliser und begann, Hiroshis Verschwinden zu arrangieren.
    Es wäre eine komplizierte Angelegenheit, verzwickt wie das messingene Gerät und
    verschiebbare Spiegelkabinett eines viktorianischen Bühnenzauberers, hätte aber einen
    ausnehmend simplen Effekt. Hiroshi würde hinter einen wasserstoffbetriebenen Mercedes treten und verschwinden. Die dutzend Maas-Agenten, die ihm auf Schritt und Tritt folgen, würden den Wagen wie Ameisen umschwirren; der Maas'sche Sicherheitsapparat würde sich am Ort seines
    Verschwindens festsetzen wie Epoxid.
    In Berlin versteht man sich darauf, Geschäfte prompt abzuwickeln. Es war mir sogar möglich, eine letzte Nacht mit dir zu arrangieren. Fox erfuhr davon nichts; er hätte es vielleicht nicht erlaubt. Nun habe ich den Namen der Stadt vergessen. Ich wußte ihn noch in der ersten
    Autobahnstunde unter einem grauen rheinischen Himmel und vergaß ihn in deinen Armen.
    Zu regnen fing's gegen Morgen an. Unser Zimmer hatte nur ein Fenster, ein hohes und schmales, vor dem ich stand und durch das ich den Regen beobachtete, der den Strom mit Silbernadeln kräuselte. Dein Atmen. Niedrige, steinerne Brückenbögen überspannten den Strom. Die Straße war menschenleer. Europa ein totes Museum.
    Ich hatte deinen Flug von Orly nach Marrakesch schon gebucht unter deinem neuesten Namen.
    Du warst bereits unterwegs, als ich die letzte Nummer abzog und Hiroshi verschwinden ließ.
    Deine Tasche lag auf dem alten, dunklen Aktenschrank. Während du schliefst, checkte ich deine Sachen, um alles zu entfernen, was mit deiner neuen Identität, die ich dir in Berlin gekauft hatte, kollidieren würde. So nahm ich die chinesische 22er, deinen Microcomputer und deinen
    Bankchip an mich. Ich holte einen neuen Paß, einen niederländischen, aus meiner Tasche und einen Schweizer Bankchip, auf den gleichen Namen lautend, und verstaute das in deiner Tasche.
    Dabei strich meine Hand über etwas

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