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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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an Gehältern nicht mehr interessiert, seine Hoffnungen waren weit höher angesiedelt.
    Cousin Roilant schaute gekränkt.
    »Das wird es dir ermöglichen, besser zu leben als bisher.«
    Mevary lachte. Er trank und lachte wieder.
    »Da bin ich ganz sicher. Nun, mit so viel Freundlichkeit hatte ich nicht zu rechnen gewagt, lieber Pudding. Einen Toast. Auf das Gehalt.« Mevary konnte seine Fröhlichkeit kaum noch bezähmen.
    »Vielen Dank. Ich werde mich jetzt auf mein Zimmer zurückziehen.«
    »Oh, wie schade. Ich hoffte, du würdest Ritterund-Burg mit mir spielen - ich habe immer noch das Brett und die Figuren, die wir als Kinder benutzten. Erinnerst du dich daran? Diese erregenden Niederlagen -«
    »Entschuldige mich.«
    »Oder ein Übungskampf mit Stöcken oder stumpfen Schwertern - wie würde dir das zusagen? Nein?«
    »Nein.«
    »Ich gebe auf. Du mußt morgen früh aufstehen. Gott segne deinen Schlaf. Mögen Engel über deinem Bett herumflattern und so weiter.«
    Mevary erhob sich, um seinen Verwandten bis zur Treppe zu begleiten. Wenn er sich kerzengrade aufrichtete, überragte er ihn um einige Millimeter.
    Durch einen improvisierten Fehltritt landete Roilant-Cyrion hörbar auf der Veranda des zweiten Stockwerks und tappte lautstark zu seinem Zimmer.
    Als er eintrat, bemerkte er einen ange nehmen Geruch. Als er die Tür geschlossen hatte und um den geschnitzten Schirm herumging, sah er, daß in dem Raum nichts verändert worden war. Man hatte lediglich die Fensterläden wegen der Insekten geschlossen und eine ganze Anzahl Kerzen entzündet.
    Während er versuchte, nur ganz flach zu atmen, ging Cyrion zu jedem Fenster und stieß die Läden auf. Dann löschte er die Kerzen. Schließlich hob er die Rose, die Eliset ihm geschickt hatte, vom Bett, wo er sie fallengelassen hatte. Die Blüte hatte sich geöffnet, und der köstliche Duft hatte sich beträchtlich verstärkt. Er warf die Rose aus dem nächsten Fenster und sah zu, wie sie zu Boden fiel. Anschließend blieb er noch eine geraume Weile stehen und betrachtete die Dächer und Mauern von Flor, die Wiesen dahinter, die dunklen Obsthaine, die zerklüfteten Felsen im Osten, über denen ein zartgelber Mond aufging.
    Die Droge in der Rose, ein Betäubungsmittel, hatte wahrscheinlich durch die Wärme der Kerzen zu wirken begonnen. Anscheinend hatte man beabsichtigt, daß er hereinkommen und, erfreut über den angenehmen Duft, in einen tiefen Schlaf sinken sollte. Daß man es in dieser Nacht auf sein Leben abgesehen haben sollte, ergab keinen Sinn. Also hatte die Dame, die ihre Hexenkünste in einer Blume verbarg, etwas anderes im Sinn. Schlafen hieß etwas versäumen. Cyrion, der zusah, wie der Mond am Himmel aufging, ahnte auch schon, was.
    Eine halbe Stunde später, als in dem Zimmer nichts mehr von dem Duft zu merken war, schloß Cyrion die Fensterläden. Anschließend versprengte er ein Fläschchen mit einem süßlichen Parfüm rund um das Bett, drapierte sich zwischen die Kissen und erwartete einen Besucher.
    Es dauerte nicht lange.
    Erst ein leises Klopfen. Dann öffnete die Tür sich einen Spalt. Dann beinahe lautlose Schritte hinter dem Wandschirm. Eine Lampe oder eine Kerze wurde angezündet, und der Lichtschein wanderte über ihn.
    »Cousin«, sagte Mevary halblaut und schüttelte ihn.
    Cyrion grunzte unwillig und belohnte den jungen Mann mit einem ausdrucksvollen, gräßlichen Schnarcher.
    Mevary lachte kurz.
    »Er schläft wie ein Schwein, ganz wie du gesagt hast«, murmelte er. »Kein Wunder. Ich kann das Zeug immer noch riechen.«
    »Ja«, sagte sie von der Tür her, die schlaue Hexe. Es klang mehr wie das Fauchen einer Katze.
    Das Licht senkte sich und verlosch. Dann waren sie fort, die Hexe und ihr Liebhaber, und der dumme, fette Cousin blieb schnaufend und schnarchend in seinem Bett zurück. Und hellwach.
    Jobel war eindeutig ermordet worden. Obwohl sein schäumendes Toben in vielen Punkten dieser unweigerlich zum Tode führenden Krankheit glich, die von Tieren auf Menschen übertragen wurde, gab es doch einige kleine Abweichungen. Zum Beispiel hatte Jobel keines der warnenden Symptome gezeigt, die dem letzten Stadium der Krankheit vorangingen. Noch wären irgendwelche Tiere, die mit der Krankheit behaftet waren, in der Nähe gesehen worden. Viel wahrscheinlicher war (es war sogar sicher), daß er einem Gift zum Opfer gefallen war, das die äußerlichen Merkmale der Krankheit hervorrief.
    Einen Mann, der solche Qualen litt, mit dem Messer rasch zu

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