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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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beiseite zu schieben. Sie lispelte die ganze Zeit. Sie hörte kaum jemals auf. Trotz ihrer Anmut und ihrer Tapferkeit hätte es ärgerlich sein können. Es war ärgerlich.
    Jetzt gab es eine kurze Unterbrechung. Eine Dienerin war eingetreten und sagte: »Da ist eine Frau am Tor. Sie fragt, ob sie Eure Hand lesen darf. Eine wie sie habe ich nie zuvor gesehen, auch nicht eine, die so stattlich war. Soll ich sie wegschicken?«
    »Fag ihr, fie foll reinkommen«, lispelte Berdice.
    Sie ließ sich gerne unterhalten, in den langen Stunden, in denen ihr Mann sich in einer Schänke oder an einem ähnlichen Ort aufhielt. Alle Arten von Scharlatanen kamen und gingen in ihrem Haus aus und ein. Jetzt kam eine, die nicht war wie die anderen.
    Sie war eine sehr große Frau, mit edlen, wie gemeißelt wirkenden Zügen. Geschickt, aber zu dick aufgetragene Schminke konnte nicht verbergen, daß ihr Gesicht viel zu männlich war, um schön zu sein, obwohl sie trotzdem ebenso schön war wie Berdice oder sie vielleicht noch übertraf. Um den Kopf hatte sie einen schwarzen, perlenbestickten Schal gewunden, den Körper verbarg ein sackähnliches Gewand. Emaillearmbänder klirrten an ihren Handgelenken. An ihren großen, aber gut geformten Händen funkelten Ringe. Sie verneigte sich tief vor Sarmurs Tochter, mit der ausfallenden Höflichkeit einer heimlichen Herrscherin.
    »Bezaubernde Herrin«, wisperte sie mit heiserer und dennoch melodischer Stimme, »gestattet Ihr mir, die Geheimnisse des Universums vor Euch auszubreiten?«
    »Vielleicht«, sagte Berdice. » Waf verlangt Ihr dafür?«
    »Sogleich werde ich es Euch sagen, liebliche Henin.« Die hochgewachsene Wahrsagerin setzte sich zu Berdices Füßen nieder und ergriff die Hand des Mädchens. »Ihr leidet«, verkündete die Wahrsagerin.
    »Nein.« Berdice schaute überrascht.
    »Doch«, sagte die Frau. »Ihr könnt nicht gehen.«
    »Wie klug«, staunte Berdice. Einen Augenblick lang waren ihre Gazellenaugen nackt und elend. Dann senkte sich der Schleier wieder, und sie zwitscherte: »Wie habt Ihr daf nur heraufgefunden?«
    Halb Andriok wußte über Sarmurs Tochter Bescheid.
    »Durch meine hellseherischen Fähigkeiten«, murmelte die Wahrsagerin bescheiden. »Aber«, zischelte sie, »was kann das Unglück verursacht haben? Ein Unfall -«
    »Ef war eine - Katfe«, platzte Berdice heraus und wurde blaß.
    »Ich sehe eine Katze in Eurer Hand«, unterbrach die Wahrsagerin sie rasch. »Ihr habt Angst vor Katzen. Die Katze hat Euch erschreckt.«
    »Ich flief«, gestand Berdice. »Ich wachte auf und fah die Katfe auf meinem Fuf. Ich frie und frie, aber fie ftarrte mich nur an mit ihren böfen, wilden Augen. Dann hat fie mich gebiffen und lief weg. Feit diefer Zeit kann ich nicht mehr gehen. Ich konnte Katfen nie leiden.« Berdice zitterte und schloß die Augen. »Gott errette mich«, seufzte sie.
    »Weiß Euer Gatte von Eurer Furcht?« erkundigte sich die Wahrsagerin.
    »O ja«, erwiderte Berdice. Sie erholte sich wieder. Sie zwitscherte: »Waf wird morgen paffieren?«
    »Vor dem Tag kommt die Nacht«, sagte die Wahrsagerin. »Versteht mich, Mädchen. Ich habe Eure Sterne gelesen. Ihr befindet Euch in Gefahr, am Randes Eures Grabes.«
    Die Mägde, aber nicht Berdice, stießen entsetzte Schreie aus. Die Wahrsagerin brachte sie mit einem Blick ihrer funkelnden, mit Kohl umrandeten Augen zum Schweigen. »Schickt diese Fledermäuse hinaus«, befahl sie.
    Die Fledermäuse wurden hinausgeschickt.
    »Ich will Euer Leben retten«, sagte die Wahrsagerin zu Berdice.
    »Gott errette mich«, seufzte Berdice wieder.
    »Hier habe ich Amulette, die Euch schützen werden«, meinte die Wahrsagerin. »Tragt sie uid verratet weder, woher Ihr sie habt, noch weshalb Ihr sie tragt. Mit ihrer Hilfe werdet Ihr überleben.«
    Berdice betrachtete die Amulette und versuchte zu lispeln. Es ging nicht.
    »Aber -«, sagte Berdice.
    »Tut was ich Euch sage«, riet die Wahrsagerin, »oder ich kann keine Verantwortung übernehmen.«
    Sie küßte Berdice auf die Stirn, wo der Abdruck ihrer kaminrot geschminkten Lippen zurückblieb und stand auf.
    »Muf ich Euch befahlen?« fragte Berdice.
    »Ich nehme dies hier«, und indem sie achtlos eine der seidenen Schnüre von einem Vorhang löste, schritt die Wahrsagerin aus dem Zimmer, ohne auf die Masse jetzt haltloser Seide zu achten, die sich über Berdices Kopf senkte.
    Die Nacht kleidete Andriok in ein düsteres Gewand. Andriok wehrte sich, indem es sich eine Krone aus Lichtern

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