Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
Patientin schwierigen Situation zu durchleuchten. Diese verschiedenen Aspekte werden in einer Abkürzung »SORK« genannt. Die Buchstaben stehen für Stimulus – Organismus – Reaktion – Konsequenz. Aber das müssen Sie sich wirklich nicht merken. Das war nur wieder ein Blick ins Therapeutenhirn. Wo bei den Tiefenpsychologen und Analytikern Herr Ich dafür zuständig ist, dass alles wieder in die Reihe kommt, ist es hier also sozusagen Frau Sork, die dabei behilflich ist.
Zunächst versucht die Therapeutin das Wesentliche dessen zu erfassen, was die Patientin berichtet. Ich höre mir die Sorgen meiner Freundin an , wäre das in diesem Fall, und mir geht es dabei immer schlechter . Dann fragt die Therapeutin nach dem Selbstbild, dem Weltbild, den Lebensregeln und den Vorbildern der Patientin. Die Frau hat von sich offenbar das Bild, sie sei zwar stärker als andere, aber auch weniger wichtig. Sie geht davon aus, dass Menschen sich eh nur für sich selbst interessieren und dass man fallen gelassen wird, wenn man einmal Hilfe braucht. Was sie selbst betrifft, hat sie allerdings den Anspruch an sich, für Freunde immer da und niemals egoistisch zu sein. Von ihr als ältestem Kind habe die Mutter immer besondere Hilfe erwartet, berichtet die Patientin. Wenn sie einmal unartig war, beschwerte die Mutter sich beim Vater, der die Tochter daraufhin bestrafte. Der Vater war oft abwesend. Wenn die Patientin nicht gehorsam gewesen sei, habe es Schläge gesetzt.
Nun weiß die Therapeutin schon, in welcher Situation das Problem der Patientin auftritt. Und sie weiß, auf welchem Hintergrund sich das Ganze abspielt. Jetzt will sie wissen, wie die Reaktionen der Patientin in einer solchen Situation sind.
Was denkt sie? Was fühlt sie? Was geht in ihrem Körper vor sich? Was tut sie?
Die Patientin erzählt, dass sie die Freundin ja möge, aber dass ihr deren verfahrene Beziehungsgeschichte mittlerweile schon zu den Ohren herauskomme. Warum kann sie nicht einmal auf das hören, was ich ihr sage? , fragt sie sich.
Eigentlich wollte sie den Abend viel lieber gemütlich mit einem Buch auf dem Sofa verbringen. Sie fühlte sich hilflos und ausgeliefert, war ärgerlich und gelangweilt. Sie wurde immer unruhiger und aufgeregter, verspürte ein Kribbeln und eine Verspannung im Nackenbereich. Mit dem Telefon in der Hand lief sie auf und ab, gähnte hörbar und sagte der Freundin zweimal, dass sie lieber am nächsten Tag weitertelefonieren wolle, was diese aber ignoriert habe.
Nun interessiert die Therapeutin sich noch für die Konsequenzen des Verhaltens der Patientin, für die positiven und die negativen.
Das Fiese bei dieser Konsequenzengeschichte ist, dass ein Verhaltensmuster, mit dem man unangenehme Gefühle umschiffen kann, sich sehr hartnäckig hält.
Das kennt jeder, der einmal aus Angst einen Zahnarztbesuch abgesagt hat. Wenn man Pech hat, erinnert man sich hinterher nur noch daran, wie erleichternd es war, als man den Hörer auflegte und sich dachte: »Yesss! Kein Bohrer heute!« Und man vergisst die längerfristigen Konsequenzen, nämlich den sich stetig verschlechternden Zustand der Zähne und dass die Behandlung später nur umso komplizierter wird.
Die positiven Konsequenzen des Verhaltens der Patientin am Vorabend waren, dass sie sich sagen konnte, sie sei eine gute Freundin, jemand, auf den man sich verlassen könne. Die negativen Konsequenzen waren die körperliche Anspannung und die Nackenschmerzen, ein mieses Gefühl am Ende eines für sie frustrierenden Abends und Ärger auf die Freundin.
Die Therapeutin mutmaßt, dass die depressiven Verstimmungen und das beeinträchtigte Selbstwertgefühl, die die Patientin in die Therapie geführt haben, die längerfristigen Konsequenzen ihres Verhaltens sind und der daraus resultierenden Tatsache, dass sie sich immer wieder hilflos und ausgeliefert fühlt.
Nun können Therapeutin und Patientin gemeinsam überlegen, an welchen Stellen Veränderungen möglich und sinnvoll wären, um das Befinden zu verbessern. Man könnte über ein anderes Verhalten nachdenken, sich überlegen, wie das aussehen könnte und warum es der Patientin so schwerfällt, es umzusetzen. Neue Situationen werden durchgespielt, im Gespräch und vielleicht auch in Rollenspielen, neue Verhaltensweisen immer wieder besprochen, ausprobiert und anschließend erneut besprochen.
So. Nun können Sie sich auch so ungefähr vorstellen, was in der Praxis eines Verhaltenstherapeuten geschieht. Und das war nur eine
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