Da muss man durch
Geste wirkt. Niemand widerspricht.
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|97| Ich mag Sie nicht besonders
Elisabeth von Beuten erscheint nicht zum Abendessen. Sie lässt durch Konstantin ausrichten, dass ihr unwohl ist. Die Ergebnisse
der vormittäglichen Sitzung, die Aufregung um Alphons und schließlich Melissas unverhohlene Begeisterung für den politisch
unerwünschten Schamski sind der Patriarchin wohl auf den Magen geschlagen. Ihre Abwesenheit bei Tisch ist kein Verlust. Im
Gegenteil, die Atmosphäre ist heute geradezu gelöst. Iris und Audrey plaudern mehr als sonst, Karl trinkt mehr als sonst,
selbst Konstantin wirkt für seine Verhältnisse fast gesellig. Er scheint froh darüber, dass Alphons sein jüngstes Abenteuer
überlebt hat, denn der bekommt ohne Probleme und lange Ermahnungen einen Nachschlag beim Dessert.
Erst am späteren Abend habe ich Gelegenheit, mit Schamski unter vier Augen zu sprechen. Er hat nicht viel Zeit, weil er
um Mitternacht mit Melissa in der Bucht verabredet ist und sich vorher noch frisch machen möchte.
«Sie wird dich vernaschen», unke ich.
«Schon möglich.»
«Eine Frau in den besten Jahren, die den Mann fürs Leben sucht, ist zu allem fähig», setze ich nach.
Schamski lässt sein Feuerzeug aufflammen, entzündet eine Zigarette. «Ich weiß», erwidert er gelassen und bläst den Rauch
zur Decke.
|98| Irgendwas irritiert mich an seiner Reaktion. Ich sehe ihn an und überlege. Dann geht mir ein Licht auf. «Ihr hattet schon
was miteinander.»
Schamski wiegt den Kopf hin und her, nickt dann.
«Soll das heißen, du bist die ganze Nacht durchgefahren, hast an einer mehrstündigen Sitzung teilgenommen, dann mit Melissa
geschlafen und danach noch ein Kind vor dem Ertrinken gerettet?»
«Sieht so aus», erwidert Schamski nach einer kurzen Denkpause und ist offenbar selbst ein wenig überrascht von seinem Tagespensum.
«Und jetzt trifft du dich nochmal mit ihr?»
Schamski zuckt mit den Schultern, nickt wieder.
«Gratuliere. Bist du sicher, dass sie dir nach deinem Herzinfarkt tatsächlich einen Stent eingebaut haben und nicht irgendein
geheimes Militärding, das bionische Kräfte verleiht?»
«Keine Ahnung», erwidert Schamski. «Aber falls es was Bionisches ist, soll ich mal fragen, ob du auch eins haben kannst?»
«Das wäre sehr freundlich von dir.»
Schamski drückt seine Zigarette aus und macht sich auf den Weg.
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, ahne ich, dass er die Insel morgen nicht verlassen wird. Und auch übermorgen nicht.
Eigentlich würde ich meinen Hintern darauf verwetten, dass Schamski erst zusammen mit mir die Heimreise antreten wird.
Ein paar Tage später habe ich recht behalten. Schamski und Melissa turteln, was das Zeug hält. Jeder ahnt, dass die beiden
eine Affäre haben, niemanden wundert also, dass Schamski noch auf der Insel ist. Mir passt das gut in |99| den Kram. Schamski nimmt an den vormittäglichen Sitzungen teil und hilft mir, Überzeugungsarbeit zu leisten. Nach einer langen
familieninternen Beratung haben sich die von Beutens entschlossen, meinen Maßnahmenkatalog umzusetzen. Konstantin möchte
trotzdem jedes Detail besprechen, weil er versteckte Kosten wittert. Nachdem er tagelang nicht fündig geworden ist, haben
Schamski und ich in einer Mischung aus Mitleid und Langeweile absichtlich ein paar tausend Euro in einer der Kalkulationen
versteckt. Konstantins kindliche Freude, als er unser eingebautes Einsparpotenzial fand, war uns Dank genug für die Mühe.
Die Arbeit auf der Insel ist nun getan. Morgen früh fliegen Schamski und ich zurück nach Deutschland. Erst in ein paar Tagen
werden die von Beutens darüber beraten haben, ob ich den Job bekomme oder nicht. Ich könnte mich also entspannen und den
letzten Tag auf Mallorca einfach genießen. Irgendwie fehlt mir dazu aber die Ruhe, vielleicht geht mir zu viel durch den
Kopf. Also stromere ich durch den Garten und langweile mich fast zu Tode. Iris und Timothy sind ins Dorf gefahren. Dort ist
Markt. Ich hätte sie begleiten können, aber farbenfrohes mallorquinisches Töpferhandwerk macht mir immer schlechte Laune.
Außerdem meide ich die Nähe von Iris seit unserem Gespräch am Strand. Wir grüßen uns, wir plaudern miteinander, aber das
war’s dann auch schon. Was zu sagen war, ist gesagt. Nun haben wir die stille Übereinkunft, uns wie Leute zu begegnen,
die einander eigentlich fremd sind.
In der Ferne sehe ich die
Bertolt Brecht
. Melissa
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