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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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und Schamski genießen ihren letzten gemeinsamen Tag an Bord. Audrey wollte sich ihnen eigentlich anschließen, hat
     aber gemerkt, dass die beiden ungestört sein möchten. Jetzt liegt sie allein in der Bucht und nimmt ein Sonnenbad.
    |100| «Wissen Sie eigentlich, wie unser Boot zu seinem Namen gekommen ist?»
    Karl reißt mich aus meinen Gedanken. Ich habe nicht bemerkt, dass er ganz in der Nähe sitzt und ebenfalls aufs Meer blickt.
    Ich nicke ihm zu. «Melissa hat mal angedeutet, dass Sie mit Brecht gearbeitet haben.»
    «Beinahe», verbessert Karl und erhebt sich. «Kommen Sie, ich zeig Ihnen die Briefe. Ich brauche sowieso ’nen Drink.»
    Ich langweile mich eigentlich nicht so sehr, dass ich mir Geschichten über Brecht anhören müsste. Mangels eines besseren
     Plans folge ich Karl trotzdem ins Haus.
    «Wir sind uns einige Male persönlich begegnet», erklärt Karl, während er mit spitzen Fingern Blätter aus einer Mappe zieht
     und sie vor mir auf dem Schreibtisch ausbreitet. «Brecht wollte mich für eine Hauptrolle. Leider ist er gestorben, bevor
     es dazu kam.»
    Ich überfliege die Briefe. Alle scheinen sich um das gleiche Thema zu drehen. Brecht erklärt, mal mehr, mal weniger ausschweifend,
     dass das gemeinsame Projekt noch nicht in trockenen Tüchern sei, aber weiterhin Fortschritte mache. Um was es sich handelt,
     wird nicht erwähnt.
    «Was war das denn für ein Stück?»
    «Kein Stück. Ein Film.» Karl schenkt sich Brandy nach. «Er sollte ‹Tänzer am Abgrund› heißen.»
    «Und Sie sollten den Tänzer spielen?»
    «Genau. Einen armen Einwanderer, der sich in New York als Eintänzer durchschlägt und eine Gräfin kennenlernt, die ihn fortan
     aushält. Er lässt sich durch Geld und Geschenke korrumpieren und verliert dabei jegliche Selbstachtung. Als er zu trinken
     anfängt, schickt ihn die Gräfin zum Teufel. Der Tänzer landet in der Gosse, gerät auf die |101| schiefe Bahn, tötet bei einem Einbruch versehentlich einen Polizisten und bekommt lebenslänglich.»
    Klingt bis zu einem gewissen Punkt nach Karls Vita.
    «Gab es denn schon Material zu dem Film?»
    «Leider nicht. Und es blieb auch bei der Idee.» Karl nimmt bedächtig einen Schluck Brandy. «Als Konstantin auf die Welt kam,
     war Lissy vierundzwanzig, ich gerade mal neunzehn. Lissys Vater musste sich nach dem Krieg aus gesundheitlichen Gründen aus
     dem Familienunternehmen zurückziehen. Da es keine anderen Nachkommen gab, übernahm Lissy das Geschäft. Ich stellte meine
     Karriere zurück und kümmerte mich um Konstantin. Ich dachte, das Projekt mit Brecht hätte noch Zeit, aber bekanntlich verstarb
     er dann unerwartet früh an einem Herzinfarkt.»
    Ich schweige. Karl nippt an seinem Brandy, sieht mein betroffenes Gesicht und winkt locker ab. «Es hört sich tragischer an,
     als es ist. Vielleicht wäre der Film grauenhaft geworden. Wer weiß also, wozu das alles gut war?»
    Wenn ich mir Karls Leben so ansehe, dann fallen mir nicht viele Dinge ein, die sich bei ihm zum Guten gewendet haben. Glücklicherweise
     müssen wir das Thema nicht weiter vertiefen, denn nun klopft es, und Konstantin schaut herein. «Vater, weißt du vielleicht,
     wo ich diesen   …» Er schluckt den Rest des Satzes hinunter, denn im selben Moment sieht er mich. «Ach, hier sind Sie, Dr.   Schuberth. Mutter möchte Sie sprechen.»
    Ich bin überrascht. «Gerne. Wann?»
    «Jetzt   …» Es klingt nach einem Befehl, die Floskel «…   sofern es Ihnen möglich ist» könnte Konstantin sich auch sparen.
    Elisabeth hat meine Audienz bis ins Detail geplant. Sie thront auf ihrem roten Samtsessel, neben sich ein Tablett |102| mit Tee, und bittet mich, auf einem Stuhl zu ihrer Linken Platz zu nehmen. Es ist ein Zwergenstuhl, so winzig, dass die
     Patriarchin mich auf ihrem Thron um Haupteslänge überragt. Das ist natürlich von ihr so beabsichtigt. Weil ich keine Lust
     habe, wie ein Fußpfleger vor ihr zu hocken, ziehe ich einen anderen Stuhl zu mir heran und setze mich auf diesen. Ihr missfällt,
     dass wir nun auf Augenhöhe sind. Zur Strafe bietet sie mir keinen Tee an.
    «Lassen Sie uns offen reden, Herr Dr.   Schuberth», beginnt sie und sieht mir geradewegs in die Augen. «Ich mag Sie nicht besonders. Das haben Sie sicher längst
     bemerkt, zumal ich keinen Hehl daraus mache, wenn mir ein Mensch unsympathisch ist.» Sie nippt kurz an ihrem Tee. «Sehen
     Sie es mir nach, aber ich halte Sie nicht für einen Mann von Format. Ich finde, Sie haben

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