Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
herausgefunden und wusste, dass ich in meiner Heimat gesucht werde. Also zwang er mich dazu, für ihn zu arbeiten und die Pläne der Festungsanlagen von Florenz zu kopieren. Sollte ich nicht gehorchen, dann bräuchte er nur anderthalb Tage nach Süden reiten und dem portugiesischen Gesandten in Rom von mir zu erzählen! Dann wäre ich meines Lebens nicht mehr sicher! Ihr seht, ich habe keine andere Wahl…“
Leonardo überlegte. Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Dass der Portugiese selbst in einer verzweifelten Lage war, sah er ein. Aber wenn man ihn einfach gewähren und weiter Pläne kopieren ließ, glaubte der König von Frankreich vielleicht, dass er mit geringem Risiko angreifen konnte. Und das durfte auch nicht geschehen.
„Wie wär’s, wenn Ihr die Pläne nicht ganz originalgetreu abzeichnet, sondern etwas verändert?“, meinte Leonardo. „Besser gesagt: Ihr solltet sie um ein paar furchtbare, neuartige, höchst geheime Kampfmaschinen ergänzen, die normalerweise in besonderen Kammern verborgen sind, sodass kein Reisender sie je gesehen hat. Aber bei einer Belagerung werden sie hervorgeholt und in Stellung gebracht!“
„Was sollten das denn für Maschinen sein?“
„Geschütze, Rollwagen, in denen Schützen ihre Büchsen abschießen können, ohne dass man sie selbst treffen könnte! Flugmaschinen, mit denen Soldaten von den Festungsmauern hinuntergleiten und dabei schießen könnten! Eisenkatapulte, die Raketen und Sprengsätze über so weite Strecken schießen, dass der Feind die Stadtmauern noch nicht einmal sehen kann!“
„Ihr müsst wissen, dass es eine der Lieblingsbeschäftigungen meines Freundes ist, sich solche Apparaturen auszudenken!“, ergänzte Carlo.
„Wenn der Agent die veränderten Kopien bekommt, wird er sehen, dass es keinen Sinn hat, Florenz anzugreifen, denn einer Stadt, die über derartige Verteidigungsmaschinen verfügt, ist uneinannehmbar.“
„Und ihr glaubt, der König von Frankreich wird das Interesse an einem Angriff verlieren?“, meinte der Portugiese skeptisch.
„Ganz genau“, nickte Leonardo.
„Ich dachte, dass man mich bereits beobachtet, und nur darauf wartet, meine Hintermänner zu überführen, bis man mich verhaftet!“
Leonardo druckste etwas herum. „Nun, das war vielleicht leicht übertrieben. Aber das könnte jederzeit passieren. Oder glaubt Ihr, dass nicht auch jeder andere herausfinden könnte, was wir geschafft haben? Aus Eurer Zwanglage kommt Ihr nur mit meinem Plan heraus!“
Der Portugiese grinste. „Ich wusste doch gleich, dass an deiner Geschichte etwas faul war!“, behauptete er. „Aber dein Plan ist gut. Vorausgesetzt, die Maschinen, die ich in die Pläne einzeichne, sind gut! Ich selbst habe leider nicht die Fantasie, um mir so etwas ausdenken zu können.“
„Ich werde Euch gerne mit meinen Entwürfen und Ideen aushelfen“, erwiderte Leonardo.
12. Kapitel
Der Agent des Königs
An den folgenden Tagen besuchte Leonardo den Kartenzeichner Joao immer wieder und brachte dabei seine gesammelten Konstruktionspläne für Kriegsmaschinen mit.
Bisher existierte sie nur in seiner Fantasie – aber in Zukunft sollte es sie genauso in der Fantasie des französischen Königs geben. Joao sah sich die Entwürfe Leonardos an. „Alle Achtung“, sagte er. „Du hast Talent zum Zeichnen! Vielleicht sollte dich dein Vater mal in einer Werkstatt als Lehrling anmelden!“
„Er hat sich schon erkundigt“, sagte Leonardo. „Aber dort nimmt man mich erst in ein paar Jahren, wenn ich etwas älter bin!“
„Wie gesagt, Talent hast du. Aber du brauchst eine Ausbildung.“
„Vielleicht könnt Ihr mir ja ein paar Eurer Tricks zeigen, Herr Joao!“, schlug Leonardo vor. „Lasst mich einfach nur zuschauen, wenn Ihr meine Entwürfe in Eure Arbeiten einfügt!“
„Ich habe nichts dagegen. Allerdings muss ich dich warnen.“
„Wovor?“
„Davor, dass der Agent, dessen Namen ich im Übrigen nicht einmal kenne, hier jederzeit und ohne Vorankündigung auftauchen kann. Und wenn er dich hier sieht, wäre das für uns beide nicht gut!“
„Kam er nicht meistens abends oder nachts?“
„Ja, aber nicht immer. Das liegt daran, wann er aufbricht.“
Leonardo sah sich um. Dann deutete er auf eine Truhe, die in der Ecke des Raumes stand und eigentlich dazu gedacht war, das Bettzeug zu verstauen. „Sollte es brenzlig werde, kann ich mich dort drinnen verstecken.“
„Gut“, nickte Joao. „Und nun sieh zu, wie ein Meister arbeitet und
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