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Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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Mutter Helena nicht ständig mit dem Staubsauger in der Hand durch die Gegend rennen würde, dann könnten seine Plastikautos in Ruhe auf dem Boden parken, aber so muss er sie zwischendurch immer wieder in die Spielzeugkiste packen. Immerhin hat er es geschafft, seine Mutter davon zu überzeugen, dass Kuscheltiere, die auf dem Boden herumliegen, nicht unaufgeräumte Gegenstände sind, sondern Tiere unterwegs nach irgendwo. Wohin genau der Bär, das Nashorn und die Schildkröte wollen, das kann Valentin leider nicht sagen, aber wenn man schon kein echtes Haustier haben darf, dann sollte man wenigstens so tun dürfen, als wären die Stofftiere echt – und richtige Tiere sitzen schließlich auch nicht aufgeräumt im Regal herum, sondern bewegen sich fort.
    Aber heute hat Valentin keine Zeit für seine Tiere, denn das neue Raumschiff, das er von seinem Opa geschenkt bekommen hat, muss ganz dringend nach Pax geflogen werden. Da kann Valentin wirklich keine Rücksicht auf Socken oder herumfliegende Kuscheltiere nehmen. Diese Expedition ist wichtiger als alles andere, Pax ist nämlich der coolste Planet, den es im ganzen Universum gibt – Valentin hat ihn extra für dieses eine Raumschiff erfunden. Er weiß zwar noch nicht, wie genau Pax aussehen soll, und ob es dort freundliche Paxaner geben wird oder nur düstere Ungeheuer, die aus gruseligen Schlammlöchern hervorgekrochen kommen, aber das ist nicht so wichtig, denn noch ist es ein ganzes Stück bis nach Pax. Im Moment hat das Raumschiff sowieso einen Zwischenstopp neben dem rechten Bettpfosten eingelegt, um aufzutanken. Das dauert leider ewig, weil der Tank des leuchtend grünen Raumschiffs riesengroß ist, und jetzt ruft auch noch Valentins Mutter und will, dass er in die Küche kommt. Wahrscheinlich um etwas Obst zu essen, so ist es meistens, wenn Helena ihn aus der Küche ruft. Also macht Valentin schnell sein Lieblingshörspiel an und tut so, als hätte er nichts gehört. Valentin kann Obst nämlich nicht ausstehen, er mag viel lieber Schokolade und Kekse. Aber seine Mutter kapiert das einfach nicht und versucht ihn ständig davon zu überzeugen, wie lecker Kiwis und Papayas schmecken. Dabei schmeckt sogar die Seife im Bad besser als die Papayas, die Helena immer vom Markt anschleppt. Valentin weiß das, weil er Papayas so eklig findet, dass er einmal versucht hat, den Geschmack mit seiner Sponge-Bob-Seife aus dem Mund zu waschen. Das war ziemlich widerlich, aber nicht halb so widerlich wie die Papaya. Valentins Vater Michael mag auch keine Papayas, aber er mag Valentins Mutter, und deshalb tut er manchmal so, als würde er Papayas mögen. Valentin findet das ziemlich albern. Er mag seine Mutter schließlich auch, aber die Papayastückchen wirft er trotzdem immer ganz schnell hinter die Heizung, wenn keiner guckt, und später hebt er sie dann heimlich auf und lässt sie im Mülleimer verschwinden, damit seine Mutter die Überreste nicht beim Staubsaugen findet und böse wird. Eigentlich wollte Valentin seinem Vater schon längst vorschlagen, sein Papayaproblem ebenfalls auf diese Art zu lösen, aber dann war er sich nicht sicher, ob Michael sich das überhaupt trauen würde. Valentins Vater ist nämlich ein sehr stiller und schüchterner Mensch; Valentin ist sich sogar sicher, dass er in seinem letzten Leben ein Gespenst gewesen ist. So muss es sein, denn niemand kann derart unauffällig durch die Gegend schleichen wie sein Papa, und niemand geistert so oft durch die knarzenden Gänge des alten Museums. Das liegt zum einen daran, dass Michael aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund ausgeblichene Gemälde mag, und zum anderen daran, dass es sein Job ist, ausgerechnet diese Bilder zu reparieren. Wie genau der Beruf heißt, weiß Valentin nicht. Sein Vater hat es ihm schon ein paar Mal gesagt, aber es ist ein kompliziertes Wort, und Valentin mag lieber einfache Worte wie Schokolade, Fußball und Abenteuerpark. Helena hingegen mag am liebsten außergewöhnliche Worte mit viel Satzumfang, Valentin weiß nicht wirklich, was das sein soll, aber er weiß, dass seine Mutter in einem großen Verlag namens Fitch&Fiction arbeitet, der große Bücher für große Menschen macht. Natürlich wäre es ihm wesentlich lieber, wenn seine Mutter in einem kleinen Verlag arbeiten würde, der kleine Bücher für kleine Menschen macht. Aber seine Mutter hat ihm einmal erklärt, dass das nicht so einfach ginge, weil ihr Fachgebiet nun einmal Worte für erwachsene Menschen seien und

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