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Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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kann, hat man keine Chance. In den Pausen rauchen die Clubmitglieder heimlich auf dem Klo, dabei ist der Jüngste erst sieben Jahre alt und so klein, dass man ihn kaum sehen kann. Zum Glück weiß Helena nichts von diesem Club, sonst würde sie Valentin wahrscheinlich sofort von der Schule nehmen und in ein Klosterinternat mit Biogemüsegarten stecken. Ja. Da ist sich Valentin ziemlich sicher. Und dort müsste er dann in der Mittagspause die Papayabäume gießen oder Blattläuse vom Spinat sammeln, und dann würde er zu einem sehr unglücklichen Mann mit vielen Depressionen heranwachsen, so wie der unfreundliche Mann aus dem viel zu großen Luxusbunker auf der anderen Straßenseite, der ständig mit seinem Handy am Ohr durch die Gegend rennt und jeden anrempelt, der ihm im Weg steht. Und das möchte Valentin auf keinen Fall. Denn von der alten Dame, die nebenan wohnt, weiß Valentin, dass der Nachbar früher einmal eine Frau hatte, bis sie schließlich weggezogen ist, weil er immer so viel Bier getrunken hat. Das muss ein ganz schönes Drama gewesen sein, mit so viel Streit und Geschrei, dass die ganze Straße es mitbekommen hatte. Valentin war jedenfalls gleich, nachdem die alte Frau ihm davon erzählt hatte, in sein Zimmer gerannt und hatte sehr ungeduldig auf seinen Vater gewartet. Und als Michael schließlich von seinen ausgeblichenen Bildern zurückgekommen ist, hat Valentin zu ihm gesagt: »Papa, du darfst niemals anfangen, Bier zu trinken. Denn wenn du das tust, dann werde ich Mama nehmen und mit ihr zusammen ganz weit wegziehen. Und dann wirst du sehr traurig und einsam enden.«
    Da hat Valentins Vater ganz erschrocken geguckt.
    Und dann hat er gefragt: »Um Himmels willen, wie kommst du denn darauf?«
    Valentin hat aus dem Fenster gezeigt, hinüber zu dem riesigen Nachbarhaus, direkt auf das hellerleuchtete Fenster von Gavin West. Und da hat sein Vater sofort verstanden, was Valentin sagen wollte. Und dann hat Michael Valentins Hand genommen, und die beiden sind zusammen in den Wald gegangen und haben so lange Verstecken gespielt, bis sie irgendwann bei den drei geheimen Zauberbäumen angekommen sind. Und da hat sich Valentin unter die Kastanie gestellt und sich gewünscht, dass sein Vater niemals Alkoholiker wird, weniger Zeit mit den alten Bildern verbringt, und dafür öfter mit ihm auf den Piratenspielplatz geht.
    Valentins Vater hat sich währenddessen unter die Eiche gesetzt, um einen Moment zu verschnaufen, und dort hat er sich dann gewünscht, dass, was auch immer sich sein Sohn gerade wünscht, in Erfüllung geht.

    An diesem Samstag ist Valentins Vater arbeiten, weil irgendein Bild dringend fertig resorbiert oder so ähnlich werden muss, und deshalb ist Valentin also mit Helena alleine zu Hause und spielt mit seinem Raumschiff. Das ist jetzt endlich vollgetankt und kann den Bettpfosten verlassen und sich wieder auf den Weg in Richtung Pax machen. Es macht krrrr und zisch und wusch und wuuuup, und schon ist das leuchtend grüne Raummobil erneut in der Luft und umkreist kurz darauf die Schreibtischlampe, nur um anschließend haarscharf an der Tischkante vorbeizusegeln und wenig später den Vorhang zu streifen.
    Im Hintergrund ertönt das beste Lied der Traumzauberbaum-CD, Valentin kann es vorwärts und rückwärts und sogar beim Zähneputzen singen. Aber diesmal kommt er leider nur bis zum Refrain, denn da wird auch schon seine Zimmertür aufgerissen, und Helena stürmt mitten in sein herrliches Universum. Sie drückt auf den Stoppknopf des CD-Players und sieht dabei ein bisschen aus wie ein auf dem Mond ausgesetzter Polarbär.
    »Hey«, sagt Valentin. »Das war mein Lieblingslied.«
    »Ich habe dich jetzt schon dreimal gerufen«, erwidert Helena und betrachtet kopfschüttelnd die Socken auf dem Fußboden. »Und hattest du nicht gesagt, du schaffst es diesmal, die Socken in deine Kommode zu packen, ohne sie vorher als Fußbodendekoration weiträumig zu verteilen?«
    »Aber, Mama«, sagt Valentin und wirbelt sein Raumschiff herum, »wie soll ich denn jemals nach Pax kommen, wenn du mich ständig aufhältst?«
    »Wohin?«, fragt Helena.
    »Pax«, erwidert Valentin.
    »Was ist Pax?«, will Helena wissen.
    »Ein Planet«, erklärt Valentin. »Der ist ziemlich weit weg. Und ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit landen. Deshalb kann ich mich jetzt nicht mit so Kleinigkeiten wie den Socken aufhalten.«
    »Aha«, sagt Helena. »Aber könntest du vielleicht auf Kroko-Island zwischenlanden, damit wir

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