Daddy Langbein
eilig gepackt und bin hierher gekommen. Ich fand, es sei besser, die Brücken hinter mir in Flammen aufgehen zu lassen, bevor ich Dir schreibe. Jetzt sind sie ganz zu Asche geworden. Hier bin ich in Klippenkamp (der Name von Mrs. Pattersons Sommerhaus), und mein Koffer ist ausgepackt, und Florence (die Kleine) kämpft schon mit der ersten Dekbnation. Und es sieht aus, als würde es ein echter Kampf! Sie ist ein ungewöhnbch verwöhntes Kind. Ich muß sie erst lehren, wie man lernt — sie hat sich nie in ihrem Leben auf etwas Schwierigeres als Eiscremesoda konzentriert.
Wir benutzten eine stille Ecke auf den Khppen als Schulzimmer — Mrs. Patterson wünscht, daß ich mit ihnen im Freien bin — und ich muß schon sagen, daß ich es auch schwer finde, mich zu konzentrieren, mit dem blauen Meer vor mir und vorübersegelnden Schiffen! Und wenn ich denke, daß ich auf einem sein könnte und in fremde Länder segeln — aber ich will an nichts anderes denken als an lateinische Grammatik.
Du siehst also, Daddy, daß ich mich in die Arbeit gestürzt habe, und daß ich meine Augen bewußt von allen Verlockungen abwende. Bitte, sei mir nicht böse und glaube nicht, daß ich Deine Güte nicht würdige, — ich tue es immer, immer. Die einzige Weise, wie ich es Dir zurückzahlen kann, ist, daß ich ein sehr nützlicher Bürger werde. (Sind Frauen Bürger? Wohl nicht.) Jedenfalls: eine sehr nützliche Person. Und wenn Du mich ansiehst, kannst Du sagen: „Ich habe der Welt diese sehr nützliche Person geschenkt.“
Das klingt gut, nicht Daddy? Aber ich will Dich nicht irreführen. Ich habe oft das Gefühl, daß ich nicht im mindesten bemerkenswert bin; es ist lustig, sich einen Beruf auszudenken, aber aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich nicht eine Spur anders ausfallen als alle anderen gewöhnlichen Leute. Vielleicht ende ich damit, daß ich einen Leichenbestatter heirate und ihm bei seiner Arbeit eine Inspiration bin.
Immer Deine
Judy.
19. August.
Lieber Daddy-Langbein!
Mein Fenster gebt auf die wunderbarste Landschaft — oder eigentlich Ozeanschaft —, nichts als Wasser und Felsen.
Der Sommer vergeht. Ich verbringe die Vormittage mit Latein und Englisch und Algebra und meinen beiden dummen Mädchen. Ich weiß nicht, wie Marion je ins College gelangen soll, oder wie sie sich halten will, falls sie hineinkommt. Und was Florence betrifft — die ist hoffnungslos —, aber, ach, solch eine kleine Schönheit. Es macht wohl gar nichts aus, ob sie dumm sind oder nicht, wenn sie nur hübsch sind? Aber man kann nicht umhin, daran zu denken, wie ihre Unterhaltung ihre Männer langweilen wird, außer wenn sie das Glück haben, dumme Männer zu heiraten. Ich nehme an, d ts ist durchaus möglich; die Welt scheint mit Rammen Männern angefüllt zu sein; ich habe diesen Sommer eine ganze Reihe getroffen.
Nachmittags gehen wir auf den Klippen spazieren, oder wir schwimmen, wenn Flut und Ebbe richtig sind. Ich kann im Salzwasser mit der größten Leichtigkeit schwimmen — Du siehst, meine Erziehung wird schon erprobt!
Von Mr. Jervis Pendleton kam ein Brief aus Paris; ein etwas kurzer, bündiger Brief. Mir wurde noch nicht vollkommen verziehen, weil ich mich weigerte, seinen Rat anzunehmen. Aber, falls er rechtzeitig zurück ist, wird er mich ein paar Tage lang in Lock Willow besuchen, bevor das College wieder aufmacht, und wenn ich sehr nett und reizend und nachgiebig bin, werde ich (so darf ich annehmen) wieder in Gnaden aufgenommen werden.
Außerdem ein Brief von Sallie. Sie möchte, daß ich im September auf zwei Wochen in ihr Camp komme. Muß ich Dich um Erlaubnis bitten, und bin ich noch nicht so weit, daß ich tun kann, was ich will? Doch, sicher kann ich — ich bin doch ein Senior. Nachdem ich den ganzen Sommer gearbeitet habe, habe ich Lust auf ein wenig Erholung. Ich möchte die Adirondacks sehen; ich möchte Sallie sehen; ich möchte Sallies Bruder sehen — er will mich Kanu fahren lehren — und (jetzt kommen wir zum Hauptgrund, der gemein ist) ich möchte, daß Master Jervie in Lock Willow ankommt und mich dort nicht findet.
Ich muß ihm zeigen, daß er mir nicht befehlen kann. Das kann niemand außer Dir, Daddy, und Du auch nicht immer! Ich gehe gerade in den Wald.
Judy.
Camp McBride,
6. September.
Lieber Daddy!
Dein Brief kam nicht rechtzeitig an (was mich sehr freute). Wenn Du wünschst, daß Deine Anweisungen befolgt werden, mußt Du sehen, daß Dein Sekretär sie in weniger als zwei Wochen
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