Dämenkind 2 - Kind der Götter
dämmerte gerade erst, die meisten Krieger lagen noch in den Zelten. Nur da und dort quollen schon von den Kochfeuern dünne Rauchfähnchen empor. Die ausgedehnte Ebene hatte sich von einem Heerlager zu etwas Schönem gewandelt.
»Schnee habt Ihr noch nie gesehen, stimmt's?«
Beim Klang der Stimme drehte sich Adrina um. Tarjanian Tenragan kam mit einem Sergeanten auf sie zugeritten. Offenbar durch Adrinas Miene belustigt, saß er ab.
»Es ist … prachtvoll.«
»Tja, aber nur für kurze Frist. In wenigen Stunden wird alles zu Matsch.« Mit dem Arm vollführte er eine
Gebärde, die übers Gelände wies. »Noch ist es zu warm, als dass der Schnee liegen bleiben könnte, und zu früh im Jahr für stärkere Schneefälle.«
»Ach«, machte Adrina aus Enttäuschung.
Anscheinend rührte ihr Bedauern Tenragan. »Möchtet Ihr Euch die Gegend näher anschauen, solang all das jungfräuliche Weiß noch ungetrübt ist?«
»Habt Ihr nichts Wichtigeres zu erledigen?«
»Ich habe vieles zu tun, aber nichts, was nicht warten könnte. Außerdem ist heute Gründungsfesttag, ein Feiertag in unserem Land. Sergeant!« Der Rotrock lenkte sein Pferd näher. »Ihre Hoheit hat den Wunsch, sich dein Tier zu leihen. Richte Hadly aus, dass ich aufgehalten worden bin, dann verschaffe dir ein Morgenmahl. In etwa einer Stunde bin ich wieder da.«
Markig entbot der Krieger einen Gruß und überließ sein Ross Adrina. Er hielt die Zügel, während sie sich in den Sattel schwang. Auch Tenragan saß wieder auf und trieb sein Reittier an ihre Seite. »Seid Ihr bereit?«
»Ihr zeigt Euch mir gegenüber wirklich edelmütig, Hauptmann.«
Gemächlich ritten sie los und ließen die Tiere selbstständig einen Weg durchs verzweigte Lager suchen. »Edelmütig zu sein fällt erheblich leichter, Eure Hoheit, als immerzu aufs Neue mit Hadly die Frage der Pferdeverpflegung zu erörtern.«
Adrina lächelte ihm zu und fragte sich, ob Damin Wulfskling sie hinsichtlich Tenragans angelogen hatte. Es sah so aus, als legte er Wert auf ihre Bekanntschaft. Vielleicht zehrte die Abwesenheit des Dämonenkinds an ihm. Ein einsamer Mann war ein schwacher Mann.
»Mag sein, dennoch sehe ich Euch als edles Gemüt an, Hauptmann. Ihr habt den Vorzug ausgesprochen guten Benehmens.«
»Für einen Medaloner?«, spöttelte Tenragan.
»So habe ich es keineswegs gemeint. Ich dachte mir, im Vergleich zu manch anderen Kerlen hier …«
Tenragan lachte. »Aha, Ihr redet von Wulfskling. Dabei hatte ich den Eindruck, Ihr verstündet Euch inzwischen mit ihm recht gut.«
Adrina verzog das Gesicht und verdeutlichte sich, dass dieser Mann Damin Wulfsklings Freund war; daher empfahl es sich schwerlich, ihm anzuvertrauen, was sie in Wahrheit von dem Hythrier hielt.
»Der Kriegsherr kann verträglich sein, wenn er seine Zunge hütet.«
Der Hauptmann schenkte ihr einen befremdlichen Blick. »Aber Ihr könnt ihm wohl kaum einen Vorwurf machen, oder? Nach dem, was Ihr getan habt …«
»Was soll ich getan haben?«
Er verweigerte die Antwort. Stattdessen gab er dem Pferd die Sporen und ritt im Handgalopp voraus.
»Hauptmann!«, rief Adrina, indem sie ihr Tier ebenfalls zum Handgalopp antrieb. »Ich glaube, diese Bemerkung müsst Ihr mir erklären.«
»Bald ist die Sonne vollends aufgegangen«, sagte er, als sie ihn einholte. Er tat ganz so, als ob es ihn vollauf beanspruchte, die Umgebung zu betrachten. »Gegen Mittag wird der meiste Schnee geschmolzen sein.« Mittlerweile hatten sie das Lager an der Nordseite verlassen und überquerten den verlassenen Übungsplatz.
»Täuscht nicht vor, meine Frage nicht gehört zu ha
ben! Was wollt Ihr damit sagen … ich hätte etwas getan?«
Tenragan heftete den Blick auf sie und hob die Schultern. »Verzeiht mir, Hoheit, ich hätte nicht davon reden sollen. Es geht mich wirklich nichts an. Ihr und Damin müsst diese Angelegenheiten untereinander klären.«
»Ich wäre überaus erfreut«, antwortete Adrina ungnädig, »wenn ich wüsste, wovon Ihr da sprecht.«
»Wisst Ihr es denn tatsächlich nicht?«
»Würde ich Euch sonst mit Fragen bestürmen?«
Der Hauptmann zügelte sein Pferd und wandte sich ihr zu. »Er behauptet, Ihr hättet versucht, Hythrias Großfürsten zu meucheln.«
»Was?! Das ist ja wohl der gröbste Unfug!«
Nochmals zuckte Tenragan mit den Schultern. »Ich wiederhole lediglich, was er mir erzählt hat. Nach seiner Darstellung habt Ihr zwei Burschen angestiftet, den Mord zu verüben, aber sie haben, statt Euren
Weitere Kostenlose Bücher