Dämenkind 2 - Kind der Götter
fragte sie.
»Von der greisen Kräuterfrau beim Tross. Aus Furcht vor dem Zorn des Allerhöchsten geht sie schon ans Packen.«
Prinzessin Adrina lächelte. »Mikel, glaubst du nicht, dass im Fall einer Waffenstreckung Medalons zuerst das Hüter-Heer davon erführe und nicht ein altes Kräuterweib? Bestimmt ist sie einem Irrtum erlegen.«
»Aber sie wirkte ihrer Sache ganz sicher, Eure Hoheit. Tarjanian Tenragan selbst hat sie aufgesucht.«
»Nun, das klingt in der Tat interessant«, meinte die Prinzessin. »Weißt du, aus welchem Grund?«
»Um mit dem Gott der Diebe zu reden, hat die Alte gesagt, aber ich glaube ihr nicht. Es gibt nur einen Gott, nämlich den Allerhöchsten, nicht wahr?«
»Ja, natürlich«, antwortete die Prinzessin zerstreut.
»Freut Ihr Euch denn nicht, Eure Hoheit?«
»Mir schwindelt gar aus lauter Freude«, beteuerte sie. »Nur geziemt es sich nicht für eine Frau meines Standes, ungebührlich starke Gefühle zu zeigen.«
Schiere Erleichterung brachte Mikel zum Lächeln. Er hatte vergessen, welch erlesenes Betragen die Prinzessin stets an den Tag legte und wie sorgsam sie darauf achtete, sich keine Schande zu machen. Wie unglaublich schwer musste es ihr gefallen sein, höflich zu sein, während sie sich im Innersten nur nach Prinz Cratyn sehnte.
»Alles wendet sich nun zum Guten, Eure Hoheit. Prinz Cratyn wird bald da sein.«
»Mir fehlen die Worte«, antwortete die Prinzessin, »um dir zu sagen, was diese Aussicht mir für einen Trost spendet.«
Hochbeglückt stand Mikel auf; dass er seiner Herrin eine so wundervolle Nachricht überbringen durfte, war mehr, als er in dieser Umgebung je zu hoffen gewagt hatte.
Prinzessin Adrina lächelte ihm zu. »Hab Dank, Mikel, aber solltest du dich nun nicht deinen Aufgaben widmen? Noch haben die Hüter die Waffen nicht gestreckt, und es täte mir Leid, falls du meinetwegen Prügel erhieltest.«
»Es kann nicht mehr lange dauern, Eure Hoheit«, sprach Mikel ihr Mut zu. Er wandte sich ab und lief aus dem Stall; dabei prallte er fast mit Damin Wulfskling zusammen. Erschrocken schrie er auf und rannte an dem Kriegsherrn vorüber, wobei er hoffte, nicht erkannt worden zu sein.
Doch mehrere Schritte vom Stall entfernt blieb er stehen und blickte sich über die Schulter um. Wulfskling hatte den Stall betreten. Die Prinzessin war drinnen ganz allein. Daran war etwas äußerst Unziemliches. Aus Unentschlossenheit zögerte Mikel kurz, dann jedoch kehrte er zum Stall zurück.
Lautlos huschte er in den Stall und war in diesen Augenblicken sehr froh darüber, dass Dacendaran ihm beigebracht hatte, wie man unbemerkt umherschlich; er versteckte sich im ersten leeren Verschlag, den er fand. Dort war er nahe genug, um zu hören, was der Kriegsherr zur Prinzessin sagte. Vorfreudig schmunzelte Mikel. Da Prinzessin Adrina jetzt über die bevorstehende Errettung Bescheid wusste, erwartete er voll und ganz, dass sie Wulfskling gründlich die Meinung sagte.
»Du musst dich damit nicht abgeben.«
Über die Schulter blickte sich die Prinzessin um. »Als ich ein Kind war, durften wir nur eines selber tun, nämlich unsere Pferde pflegen. Hablet glaubte, dadurch lernten wir Verantwortung.«
»Und hatte er Recht?«
Die Prinzessin lächelte. »Eher hat es uns gelehrt, wie wichtig Handsalben sind. Uns davor zu drücken hat uns mehr Spaß gemacht, als uns mit den Gäulen zu befassen.«
Damin Wulfskling stellte sich hinter Prinzessin Adrina und legte seine Hände, während sie das Tier mit gemächlichen Bewegungen bürstete, auf ihre Hände. Er stand so dicht hinter ihr, dass sich ihre Körper berührten. Die Prinzessin schrie nicht; sie zuckte nicht einmal zusammen. Der Kriegsherr beugte den Kopf und drückte gleich unterm rechten Ohr die Lippen an ihren Hals, und sie lehnte sich rücklings an ihn.
»Lass mich.«
»Warum?«
»Für uns gibt es keine gemeinsame Zukunft, Damin. Du weißt es genauso wie ich.«
Er schlang die Arme um ihre Leibesmitte und zog sie enger an sich. »Ach ja, ganz recht, wir hassen uns ja, stimmt's?«
In seinen Armen drehte sich die Prinzessin um und legte die Stirn an seine. »Du verwechselt Lust mit echtem Gefühl, mein teurer Kriegsherr.«
Aber ganz als ob sie die eigenen Worte zu widerlegen beabsichtigte, küsste sie ihn mit einem Mal. Kein Missverständnis kam infrage: Sie küsste ihn , nicht umgekehrt. Fast biss sich Mikel die Unterlippe blutig, um nicht aus Empörung aufzuschreien.
Während beide nach dem Kuss um Atem rangen,
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