Dämenkind 2 - Kind der Götter
ich tun! Ich erzähle ihnen, du wärst tot. Es ist besser für sie, das zu glauben, als zu erfahren, was wirklich aus dir geworden ist.«
Er sprang vom Balken und rannte in die Richtung des Kastells; dabei missachtete er alle durchdringenden Rufe, mit denen Jaymes ihn zur Umkehr veranlassen wollte.
Als er schließlich anhielt und sich umschaute, war Jaymes schon auf und davon.
Als Kronprinz Cratyn das nächste Mal im medalonischen Heerlager eintraf – einen langen, bitteren Tag nach dem Abritt der Hythrier –, geschah es mit weit größerer Begleitung, und eine Heroldsfahne war nirgends in Sicht. Der Prinz wusste, dass er der Sieger war, und er verspürte keine Laune, auf die Empfindsamkeit seiner unterlegenen Gegner Rücksicht zu nehmen. Die Herzöge auf den Fersen, suchte er schnurstracks das Kastell auf und betrat es mit aller Selbstsicherheit eines Mannes, der darüber Klarheit hatte, dass er nichts mehr zu befürchten brauchte.
Mikel lauerte im Hof des Kastells und bemühte sich um Unauffälligkeit. Dabei stieß er auf keine Schwierigkeiten. Weder die Hüter-Wachen noch das karische Prinzengeleit erübrigten für ihn einen einzigen Blick. Sie alle beanspruchte es viel zu stark, sich gegenseitig argwöhnisch zu betrachten, als dass sie einem jungen Burschen Beachtung geschenkt hätten.
Zunächst hatte Mikel keine Ahnung, wie es ihm gelingen sollte, zum Kronprinzen vorzudringen. Er kannte keinen der Ritter, die vor dem Kastell bei den Pferden warteten, und war sich ziemlich sicher, dass er geradeso wie irgendein beliebiger medalonischer Lausbub aussah. Wäre er am Verhungern, dürfte er sich von ihnen keine Krume versprechen, ganz davon zu schweigen, dass sie ihn zum Prinzen führten.
Die zweite Verhandlungssitzung zog sich stundenlang hin, während die wenig warme Sonne hoch an den Himmel stieg. Mikel versäumte die Mittagsmahlzeit, und als sich allmählich die Abenddämmerung abzeichnete, knurrte ihm der Magen.
Seine Gelegenheit ergab sich, als er fast schon zum Aufgeben neigte. Aus dem Kastell kam Ritter Andony zum Vorschein, um mit den Kriegern im Freien zu sprechen. Mikel überwand seine Furcht und eilte zu ihm.
»Ritter Andony …?«
Der junge Ritter sah ihn und riss bestürzt die Augen auf.
»Mikel? Was, in Xaphistas Namen, treibst du denn hier?«
»Ich muss zum Kronprinzen, Ritter Andony.«
»Ach, nun mach dich nicht lächerlich. Was solltest du wohl mit dem Kronprinzen zu beraten haben?«
»Es geht um Prinzessin Adrina.«
Andony stand nicht im Ruf sonderlicher Klugheit, doch dass es sich in diesem Fall um etwas Bedeutsames drehen mochte, wurde sogar ihm ersichtlich. Bedächtig nickte er.
»Warte hier auf mich.«
Mikel wand sich unter den Blicken der karischen Ritter, während Andony ins Kastell umkehrte. Nach erstaunlich kurzer Frist kam Herzog Rollo heraus. Er packte Mikel am Kragen und zog ihn zur Seite, bis sie sich außer Hörweite sowohl der Ritter wie auch der Hüter befanden.
»Was weißt du über die Prinzessin?«, fragte Herzog Rollo ohne jede Vorrede.
»Herr, sie hat sich in diesem Heerlager aufgehalten.«
Herzog Rollos Miene gab von seinen Gedanken nichts preis. »Ganz gewiss?«
Mikel nickte. »Ich bin zusammen mit der Prinzessin und ihrer Dienerin aus Karien fortgegangen. Schon am Morgen sind wir in die Gefangenschaft der Hythrier gefallen. Seitdem hielt sich die Prinzessin ständig im Lager auf.«
»Und wo ist Ihre Hoheit jetzt?«
»Genau weiß ich's nicht. Ich glaube, sie ist mit Kriegsherr Wulfskling geritten.«
»Aha …«
»Herr, es gibt … noch etwas, das Ihr wissen müsst.«
»Was ist?« Die Stimme des Herzogs bezeugte Ungeduld, als beschäftigte er sich längst mit anderen Überlegungen.
»Die Prinzessin und Kriegsherr Wulfskling … sie sind … also, es ist so …«
»Heraus damit, Bursche!«
»Sie hat ihn geküsst, Herr«, antwortete Mikel hastig.
Herzog Rollo kniff die Lider zusammen. »Wer weiß außer dir darüber Bescheid?«
»Niemand, Herr. Ich …«
»Komm mit«, befahl der Herzog, als ob es ihn nicht im
Mindesten scherte, was Mikel noch zu erzählen hatte. Er zerrte ihn mit sich und schubste ihn Andony zu. »Bringt den Burschen unverzüglich in unser Lager«, wies er den Ritter an. »Legt keinen Aufenthalt ein und lasst niemanden mit ihm auch nur ein Wörtchen wechseln. Bis zu meiner Rückkehr hat er in meinem Zelt zu bleiben.«
Ritter Andony nickte. Seine kriegerische Zucht gestattete es nicht, irgendwelche Fragen zu stellen. Ehe
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