Daemmerung der Leidenschaft
irgendwann Babys von ihm bekommen würde, verschlimmerte die Situation noch erheblich. Irgendwie hätte das den Todesstoß für ein Herz bedeutet, das ohnehin nie viel Hoffnung gehabt hatte; sie wußte, daß sie nie eine Chance bei Webb gehabt hatte oder je haben würde, und dennoch glimmte hartnäckig ein unentwegtes Hoffnungsflämmchen. So lange er und Jessie keine Kinder hatten, gehörte er ihr noch nicht ganz, nicht vollständig. Für Webb wären Kinder ein unzerreißbares Band. So lange es keine Babys gab, bestand eine Chance, egal wie minimal sie auch sein mochte.
Die ganze Familie wußte, daß es in ihrer Ehe kriselte. Jessie machte nie ein Geheimnis daraus, wenn sie unglücklich war. Vielmehr bemühte sie sich redlich, ihrem Umfeld dann ihre jeweilige Not vorzuführen.
Da sie Jessie kannte, und Roanna kannte sie sehr gut, vermutete sie, daß Jessie wohl geplant hatte, Webb nach ihrer Heirat mit Sex unter die Fuchtel zu bekommen. Roanna wäre überrascht gewesen, wenn Jessie Webb erlaubt hätte, vor der Heirat mit ihr zu schlafen. Na ja, einmal vielleicht, um sein Interesse aufrechtzuerhalten. Keiner von ihnen unterschätzte Jessies Heimtücke. Webb komischerweise ebensowenig, und Jessies Strategie war demzufolge nicht aufgegangen. Egal, was für Tricks sie auch versuchte, Webb änderte nur selten eine einmal gefaßte Meinung, und wenn er es dennoch tat, dann aus eigener Überzeugung. Nein, Jessie war ganz und gar nicht glücklich.
Roanna schon ... zumindest hinsichtlich dieser Tatsache. Sie verstand die Beziehung zwischen den beiden zwar nicht mal ansatzweise, aber Jessie schien einfach nicht zu kapieren, was für eine Art Mann Webb war. Er ließ sich mit Logik überzeugen, aber mit Manipulation erreichte man bei ihm nichts. Roanna hatte über die Jahre insgeheim so manchen Moment genossen, in dem Jessie versuchte, ihn mit ihren weiblichen Tricks herumzukriegen – nur um dann in hysterische Anfälle zu verfallen, wenn es nicht funktionierte. Jessie konnte es einfach nicht begreifen; schließlich klappte es doch bei allen anderen.
Webb warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muß gehen.« Er trank seinen Kaffee aus und beugte sich dann herab, um ihr einen Kuß auf die Stirn zu drücken. »Halt dich ein bißchen zurück heute, damit es nicht wieder Ärger gibt.«
»Ich werde es versuchen«, versprach sie und fügte dann verdrießlich hinzu, »wie immer!« Doch es wollte ihr nie so recht gelingen. Trotz all ihrer Mühen und ihres guten Willens schien sie immer etwas zu bewerkstelligen, was Großmutter mißfiel.
Webb grinste ihr mitleidig zu, bevor er zur Tür ging. Ihre Blicke begegneten sich einen Augenblick lang, als wären sie zwei Verschwörer. Dann war er fort, die Tür fiel hinter ihm zu und mit einem Seufzer setzte sie sich auf einen Küchenstuhl, um sich Socken und Stiefel anzuziehen. Der Morgen hatte mit seinem Abschied ein wenig an Glanz verloren.
Irgendwie, so dachte sie, waren sie tatsächlich zwei Verschwören Bei Webb fühlte sie sich so entspannt und sicher wie bei keinem anderen Familienmitglied, und in seinen Augen las sie nie Tadel, wenn er sie ansah. Webb akzeptierte sie so, wie sie war, und versuchte nicht, sie auf Teufel komm raus zu ändern.
Doch es gab noch einen anderen Ort, wo sie Zustimmung fand, und mit etwas leichterem Herzen rannte sie zu den Ställen hinaus.
Als der Umzugslaster um halb neun Uhr vormittags vorfuhr, bemerkte Roanna ihn kaum. Sie und Loyal waren mit einem temperamentvollen Jährling beschäftigt und machten geduldig das Fohlen mit den Menschen vertraut. Er hatte keine Angst, aber wollte lieber spielen, als etwas Neues dazuzulernen, und die sanften Lektionen erforderten eine Menge Langmut.
»Du machst mich fix und fertig«, keuchte sie und streichelte dem Tier liebevoll über den schweißglänzenden Hals. Der kleine Hengst schubste sie zur Antwort kräftig mit dem Kopf, so daß sie mehrere Schritte zurücktaumelte. »Vielleicht gibt es einen besseren Weg«, sagte sie zu Loyal, der auf dem Zaun saß und ihr Anweisungen gab; er grinste, als er das Fohlen herumhüpfen sah wie einen zu groß geratenen Hund.
»Welchen denn zum Beispiel?« fragte er. Er war immer bereit, sich Roannas Ideen anzuhören.
»Warum fangen wir nicht einfach an mit ihnen zu arbeiten, sobald sie geboren sind? Dann wären sie noch zu klein, um mich über die ganze Koppel zu jagen«, mäkelte sie. »Am Anfang gewöhnen sie sich leichter an uns und an das, was wir mit ihnen
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