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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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gedroschen hätte – doch die Logik blieb.
    Man hatte ihn nicht verhaftet, und er machte sich auch keine allzu großen Sorgen, nicht deswegen jedenfalls. Er hatte Jessie nicht umgebracht; also wenn man keine falschen Beweise gegen ihn zimmerte, konnten sie ihn auch nicht überführen. Er wurde zu Hause gebraucht, damit er sich um alles kümmerte. Nach dem kurzen Blick zu schließen, den er auf Tante Lucinda hatte werfen können, war sie vollkommen am Boden zerstört; sie würde nicht in der Lage sein, die Beerdigung zu organisieren. Und Jess war seine Frau; diesen letzten Dienst wollte er ihr erweisen, wollte um sie trauern, um das Mädchen, das sie einmal gewesen war, die Frau, die er sich erhofft hatte. Es klappte nicht zwischen ihnen, aber so einen Tod hatte sie trotzdem nicht verdient.
    Tränen brannten in seinen Augen und tropften durch seine Finger. Jess. Wunderschöne, unglückliche Jess! Er hätte sich gewünscht, daß sie mehr eine Lebensgefährtin als ein Parasit gewesen wäre, der immer mehr und mehr verlangte; aber sie hatte es einfach nicht in sich gehabt, auch zu geben. Keine Liebe der Welt schaffte es, sie zufriedenzustellen, und am Ende hatte er es schließlich aufgegeben.
    Sie war von ihm gegangen. Er konnte sie nicht mehr zurückholen, sie nicht mehr beschützen.
    Aber was sollte er von Roanna halten?
    Hatte sie seine Frau umgebracht?
    Was stand ihm jetzt bevor? Booley von seinem Verdacht erzählen? Roanna den Wölfen vorwerfen?
    Das kam nicht in Frage. Er konnte und wollte nicht glauben, daß Roanna Jessie absichtlich getötet haben könnte. Sie geschlagen, vielleicht ... Sie konnte den Schlag gut und gerne in Notwehr ausgeführt haben, denn Jessie wäre sehr wohl fähig gewesen, Roanna physisch zu attackieren. Ro war erst siebzehn, eine Minderjährige; wenn man sie verhaftete, anklagte und für schuldig befand, würde ihre Strafe im Verhältnis zum Verbrechen milde ausfallen. Doch auch milde Umstände wären ein Todesurteil für sie. Webb wußte ebenso sicher, wie er hier saß, daß Roanna nicht mal ein Jahr in einer Jugendstrafanstalt überleben würde. Sie war viel zu zart, viel zu verwundbar. Sie würde einfach endgültig aufhören zu essen.
    Er mußte an die Szene denken, die sich ihm im Haus geboten hatte. Man hatte ihn rausgeführt, bevor er noch mit jemandem reden konnte, obwohl seine Mutter es versucht hatte. Aber was er in jenem kurzen Moment gesehen hatte, prägte sich ihm unauslöschlich in sein Gedächtnis: Yvonne, die Krallen gezückt und bereit, für ihn zu kämpfen, doch etwas anderes hätte er von seiner tapferen Mutter auch nicht erwartet; Tante Lucinda, die ihn wie betäubt vor Kummer anstarrte; Tante Gloria und Onkel Harlan mit einem Ausdruck entsetzter, faszinierter Anklage auf den Gesichtern. Kein Zweifel, sie dachten, er hätte es getan, zum Teufel mit ihnen! Und Roanna, bleich und regungslos, vollkommen isoliert auf der anderen Seite des Raums. Sie hatte nicht mal den Kopf gehoben, um ihn anzusehen.
    Seit zehn Jahren beschützte er sie nun; es war ihm zur zweiten Natur geworden. Selbst jetzt, wütend wie er war, konnte er nicht anders, als sich vor sie zu stellen. Bestünde auch nur der leiseste Verdacht der Vorsätzlichkeit, lägen die Dinge etwas anders, aber diesen Argwohn wies er von sich. Also saß er da und schützte mit seinem Schweigen das Mädchen, das in Notwehr seine Frau umgebracht haben könnte – die Bitterkeit seiner Lage preßte sein Innerstes wie mit Eisenfäusten zusammen.
    Die Bürotür hinter ihm öffnete sich, und er richtete sich auf, wischte sich brüsk die Tränen aus den Augen. Booley ging um seinen Schreibtisch herum und sank schwerfällig in den ächzenden Ledersessel. Seine schlauen Augen musterten Webbs Gesicht und registrierten die Tränenspuren. »Das alles tut mir sehr leid, Webb. Ich weiß, es ist ein ziemlicher Schock.«
    »Sicher.« Seine Stimme klang rauh.
    »Aber ich muß meinen Job machen. Man hat gehört, wie Sie sagten, daß Sie alles tun würden, um Jessie loszuwerden.«
    Der beste Weg durch dieses Minenfeld, überlegte Webb, war, die Wahrheit zu sagen – bis zu dem Punkt, an dem es besser war zu schweigen. »Ja, das hab ich gesagt. Gleich nachdem ich ihr die Scheidung vorschlug. Ich meinte, ich wäre mit jeder Regelung einverstanden.«
    »Selbst damit, Davenport aufzugeben?«
    »Das kann ich gar nicht. Das obliegt meiner Großmutter. Es wäre ihre Entscheidung, nicht meine.«
    »Jessie drohte, Lucinda dazu zu bringen, Sie zu

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