Daemmerung ueber der See
daß Sie Flaggkapitän von Sir Lucius Broughton auf der
Euryalus
waren?«
»Ich war Flaggkapitän von Vizeadmiral Thelwall, bis er wegen seiner schlechten Gesundheit abgelöst wurde. Broughton setzte danach seine Flagge auf der
Euryalus
.«
»Ich entnehme Ihrem Ton, daß Sie ihn nicht mochten. Ich schätzte ihn immer als ausgezeichneten Flaggoffizier. Er würde sich – wie auch ich – nie durch Gefühlsduselei von den Erfordernissen der Pflicht und der Disziplin abbringen lassen.« Er ballte die Fäuste, als hätte er sich dazu hinreißen lassen, mehr zu sagen, als beabsichtigt, dann fuhr er fort: »Waren Sie bei der großen Meuterei dabei?« Es klang fast wie eine Anschuldigung.
»Wir hatten auf der
Euryalus
Glück.«
»Glück? Was hat das damit zu tun? Wir befanden uns im Krieg mit einem erbarmungslosen Gegner – so wie jetzt auch. Ich kommandierte die
Cydnus,
einen Zweidecker mit neunzig Kanonen. Gut ausgebildet und gut in Schuß wurde sie vom ganzen Geschwader beneidet.«
Bolitho sah, daß die Hände wieder zu Fäusten geballt waren. Das war Hamett-Parkers einziger wunder Punkt: Diese Ereignisse würde er nie vergessen.
»Es gibt immer ein paar faule Äpfel im Kasten. Der Gedanke an Meuterei verbreitete sich unter diesen Einfaltspinseln und Holzköpfen wie schleichendes Gift. Sie widersetzten sich mir –
mir
, ihrem Kommandanten.« Seine blassen Augen schimmerten wie Glas im reflektierten Licht. Es schien, daß er es immer noch nicht fassen konnte, daß einfache Seeleute ihre Rechte einforderten, sogar mit dem Risiko, gehängt oder durch die Flotte gepeitscht zu werden, eine Bestrafung, die mehr als einem von ihnen zuteil wurde.
Bolitho entgegnete scharf: »Admiral Broughton war ein Narr. Wäre er heute einer meiner Offiziere, würde ich es ihm ins Gesicht sagen!«
Sie beruhigten sich beide wieder, und Hamett-Parker fuhr fort: »Ich kann mit Stolz auf meine Dienstzeit zurückblicken.« Er sah sich bedeutungsvoll im Raum um. »Ich denke, daß man anderen Orts auch dieser Meinung ist.«
Bolitho fragte: »Was erwartet man von mir, Sir James?« Er war erstaunt, wie ruhig er klang, obwohl er innerlich lichterloh brannte. Er ärgerte sich über diesen unnahbaren Mann und über sich selber.
»Wir brauchen einen Plan, einen, der einfach auszuführen ist, einen, der die Nationen nicht verärgert, die noch nicht in den Krieg verwickelt sind.«
»Sie meinen die Amerikaner, Sir James?«
»Das habe ich nicht gesagt!« Er drohte mit dem Finger und lächelte steif, dann fuhr er fort: »Ich bin froh, daß wir uns aussprechen können, bevor wir auf die anderen Beteiligten treffen.« Er zog ein paar Papiere zu sich heran. »Mein Flaggleutnant hat die Adresse Ihrer Londoner Wohnung, nehme ich an?«
»Wahrscheinlich, Sir James.« Wahrscheinlich kannte sie halb London. »Darf ich eine Frage stellen?«
Hamett-Parker zog eine glänzende goldene Uhr heraus und blickte darauf. »Wenn es nicht zu lange dauert?«
Bolitho dachte traurig an Godschale.
Einer kann nicht alles machen.
»Welche Pläne hat man mit meinem letzten Flaggkapitän, Valentine Keen?«
Hamett-Parker spitzte die Lippen. »Einen Moment lang dachte ich, daß Sie sich nach einem anderen erkundigen würden.« Er hob irritiert die Schultern. »Er wird den Breitwimpel eines Commodores setzen, sobald alles entschieden ist. Wenn er sich gut macht, wird ihm der Admiralsrang sicher sein.«
Bolitho stand auf und sah, daß der Blick des Mannes auf den alten Degen fiel. »Darf ich mich verabschieden, Sir James?« Es war vorbei, die Degen konnten zurück in die Kästen gelegt werden – fürs erste.
»Ja, bitte.« Er lehnte sich in seinem großen Sessel zurück, die Fingerspitzen zusammengepreßt wie ein Landpfarrer. Dann bemerkte er: »Vizeadmiral Sir Lucius Broughton, der
Narr
, wie Sie ihn so offen nannten, starb, während er in den Sträflingskolonien von New South Wales seine Pflicht tat.« Er blinzelte nicht, als er hinzufügte: »Seine Position wird hervorragend von Ihrem Freund Konteradmiral Herrick ausgefüllt werden, da bin ich mir sicher.«
Bolitho drehte sich auf dem Absatz um und warf die Tür auf, vor der er fast mit dem aufgeschreckten Flaggleutnant zusammengeprallt wäre.
Hamett-Parker hatte ihn tief getroffen, ob aus Boshaftigkeit oder anderen Gründen wußte er nicht, und es kümmerte ihn auch nicht. Was hatte er gewollt? Er hatte es sorgfältig vermieden, Catherine zu erwähnen, oder besser »den Skandal«, wie er es ohne Zweifel nennen
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