DAEMON
Welt verzerrte sich, und Sebeck hatte das Gefühl, einen Meter über seinem Kopf zu schweben. Das war doch nicht möglich. Jedes dieser Augenpaare durchbohrte ihn mit Hass. Wieso war
er
plötzlich der Daemon? Wie konnte das sein?
Er wandte sich Ross zu, der jetzt hinter einer Wand aus FB I-Agenten stand. «Jon. Jon!»
«Das war Sobol, Pete!»
Agenten zerrten Sebeck mit sich, und ein halbes Dutzend weitere stießen ihn von hinten vorwärts. Es dauerte keine Sekunde, und Ross war von dem Menschenknäuel verdeckt.
Sebeck war sprachlos. Ihm war, als ob die Realität aufgerissen wäre und er in irgendein beschissenes Fantasy-Reich davondriftete. Sobols Spielewelt war realer als diese Welt hier. Er bemerkte weder die Kameracrew, an der er vorbeigezerrt wurde, noch die attraktive blonde Reporterin, die da mit einem Mikrophon stand.
«Hier ist Anji Anderson, live aus Calabasas, Kalifornien, mit einem sensationellen Exklusivbericht über die Festnahme von Pete Sebeck, Detective Sergeant beim Ventura County Sheriff’s Department, durch Beamte des FBI. Sebeck, der ursprünglich die Ermittlungen in Sachen Daemon-Morde leitete, wird jetzt bezichtigt, in einen der spektakulärsten Betrugsfälle der modernen Kriminalgeschichte verwickelt zu sein. Die Staatsanwaltschaft sieht Sebeck in der Schlüsselrolle einer Verschwörung, die den geistig beeinträchtigten Computerspiele-Mogul Matthew Sobol auf betrügerische Artund Weise um zehn Millionen Dollar brachte. Geld, das später darauf verwendet wurde, Optionen auf CyberStorm-Aktien zu kaufen. Aktien, die dann rasant abstürzten, was den Verschwörern schätzungsweise 190 Millionen Dollar einbrachte. Angeblich hat das FBI in Zusammenarbeit mit dem Secret Service und Interpol heute noch drei weitere Personen in zwei Ländern festgenommen. Fest steht jedoch zu diesem Zeitpunkt zweierlei: Matthew Sobol war bei diesen tödlichen Machenschaften offenbar das unschuldige Opfer, und der Internet-Daemon scheint sich zur immensen Erleichterung der Polizeibehörden als Hoax entpuppt zu haben.»
Natalie Philips stand, flankiert vom Major und einem halben Dutzend NS A-Agenten , am Ereignisort im Einkaufszentrum, den FB I-Agenten noch immer abriegelten. Sie musterte den Special Agent in Charge, Steven Trear, mit einer Miene irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Entrüstung. «Sie haben Jon Ross
laufen
lassen?»
Trear stand inmitten eines Haufens FB I-Agenten . «Er wurde befragt und daraufhin entlassen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er schon vor dieser Woche irgendetwas mit Sebeck zu tun hatte. Und was den Wurm bei Alcyone angeht, ist Ross außer Verdacht. Wissen Sie irgendwas, was wir nicht wissen?»
Philips sah den Major an, der wütend mit der Faust auf einen Café-Tisch hieb und ihn dann scheppernd umstieß.
Trear hob die Hände. «Könnten Sie mir vielleicht sagen, was eigentlich Sache ist?»
Philips gab einem in der Nähe stehenden NS A-Agenten ein Zeichen und sagte dann zu Trear: «Wir kommen gerade aus Woodland Hills. Jon Ross wurde letzte Nacht wegen böswilliger Sachbeschädigung und terroristischer Drohungen in Gewahrsam genommen.»
Trear sah sie an, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank.
«Jon Ross?»
Philips nahm von dem NS A-Agenten eine Akte entgegen. «Die Staatsanwaltschaft hat auf Intervention von Pete Sebeck auf eine Anklage verzichtet.» Sie schlug die Akte auf und reichte sie Trear. «Ihre Überprüfung schloss keinen Fingerabdruckvergleich ein. Der echte Jon Ross wurde vor drei Jahren wegen Fahrens unter Drogeneinfluss verurteilt. Diese Angaben hier passen nicht auf den Mann, den Sie in Thousand Oaks zur Befragung mitgenommen haben. Und die Fotos auch nicht.»
«Augenblick mal. Wollen Sie etwa sagen –»
«Er ist eine gestohlene Identität. Er ist nicht der echte Jon Ross.»
Trear blätterte in dem Ordner. «Warum zum Teufel hat man uns das nicht mitgeteilt?»
Der Major antwortete für Philips: «Sie kennen das Prinzip: Informationen nur, soweit nötig.»
«Blödsinn.»
Philips sah auf die Uhr. «Wie lange haben Sie ihn befragt, eine Stunde?»
«Er war ja schon ausführlich vernommen worden, und er stand unter Schock. Wir haben ihn den Sanitätern übergeben.»
«Na, großartig.»
Trear trat auf sie zu, den Zeigefinger auf sie gerichtet. «Hören Sie,
Missy …
»
Der Major trat dazwischen und drängte Trear mit der Brust zurück. Das veranlasste drei von Trears Agenten, ihm zu Hilfe zu eilen. Rasch ähnelte die Szene einer
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