Dämon aus dem All
sogar Tränen gesehen zu haben.
Er konnte nicht wissen, daß der Dunkle Mann eben einen anderen Augenblick im Traum nacherlebte, den er mit Gerrith allein verbracht hatte.
»Ich habe ein Messer gesehen, Stark.«
»Du hast schon einmal eins gesehen, erinnerst du dich. Und es war gut.«
»Jetzt ist es nicht gut.«
»Wo ist dieses Messer? Wer führt es?«
»Ich kann es nicht sehen …«
Und ihre Lippen trafen auf die seinen, und sie schmeckten salzig, schmeckten nach Tränen …
Stark wachte auf und war mit Tuchvar und den Hunden auf der kleinen Lichtung, und in der Ebene lag Ged Darod. Er fragte sich, ob das Messer in einer der Straßen der Stadt auf ihn wartete. Er schüttelte den Gedanken ab. Messer waren für ihn nichts Neues.
Während der Junge Proviant aus den Satteltaschen nahm, ging Stark zum Waldrand, vor dem das Land steil abfiel, und er konnte über die grüne, saftige Ebene hinblicken, und in ihrer Mitte lag Ged Darod wie ein Traum. Goldene Dächer, Dächer mit scharlachroten, grünen und kobaltblauen Ziegeln, blitzten und glänzten in der Sonne. Die Oberstadt lag auf einem natürlichen oder künstlichen Hügel, und die großen Gebäude dort strahlten in makellosem Weiß. Aus allen Richtungen liefen Straßen auf die Stadt zu, und auf ihnen strebten die Scharen der Pilger ihrem Ziel zu.
Er ging auf die Lichtung zurück und sagte zu Tuchvar: »Sag mir noch einmal, wo ich Pedrallon finden werde.«
»Wenn er noch dort ist …«
»Natürlich.«
Tuchvar sagte es ihm während er aß und trank und sich im Bach wusch, und die Sonnenstrahlen wurden schräger. Dann sah der Junge zu, wie Stark ein Bündel öffnete und die Sachen herausnahm, die er aus Tregad mitgebracht hatte.
Einen Umhang, der seine Größe und seine Art zu gehen, weniger auffällig machen sollte. Eine Kapuze für den Kopf, und ein Tuch, das nach Art der Vermummten vor das Gesicht gezogen werden konnte. Tuchvar hatte Pilger gesehen, die auf unglaublichste Art verkleidet waren, die dies und jenes verbargen, oder auch nichts versteckten, und er glaubte, daß Starks Verkleidung keine Aufmerksamkeit erregen würde.
Als sich aber Stark an ihn wandte und ihn fragte: »Wird es so gehen?«, da seufzte Tuchvar und schüttelte den Kopf.
»Du bist zu sehr du selbst«, sagte er. »Laß deine Schultern hängen, und sieh niemandem gerade in die Augen … du hast nicht die Augen eines Pilgers.«
Stark lächelte. Er redete mit den Hunden, befahl ihnen, bei dem Jungen zu bleiben und auf seine Rückkehr zu warten. Die jungen Hunde rührten sich nicht. Die fünf winselten jedoch. Gerd und Grith widersetzten sich. Schließlich gehorchten sie, wenn auch nicht glücklich.
Bewacht Tuchvar, sagte Stark, bis ich wieder da bin. Er ging zwischen den Bäumen hindurch hinaus in die einsetzende Dämmerung.
21.
Als Stark weit in der grünen Ebene auf die erste Straße stieß, war es gänzlich Nacht geworden. Die Drei Damen standen prächtig am Himmel, und ihr Licht war fast so hell wie das der Sonne, aber wesentlich angenehmer. Er sah, daß die Menge der Pilger nicht abgenommen hatte. Halb Skaith war offensichtlich auf dem Weg nach Ged Darod.
Der Pilgerstrom floß unregelmäßig, bewegte sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Er verdichtete sich um einen riesigen, schwankenden Tempelwagen, der von einer Unzahl nackter Männer und Frauen gezogen wurde, die ihre Körper mit dem heiligen Braun der Mutter Skaith bemalt hatten. Dann waren wieder nur ein paar langsame Wanderer auf der Straße. Ein Mann tanzte mit wirbelnden Drehschritten auf Ged Darod zu. Hinter ihm eine Frau, deren Haar bis zu den Knöcheln herabhing und mit Blüten durchflochten war. Sie lief wie eine Nachtwandlerin mit ausgestreckten Armen und sang mit heller, klarer Vogelstimme.
Ein schlanker Heiliger, von Kopf bis Fuß mit Tätowierungen des Sonnenzeichens überzogen, rief Stark ekstatisch zu: »Freue dich, denn wir werden vom Übel befreit.«
Stark murmelte: »Ich freue mich.« Staunend ging er weiter. Da waren andere in der Menge, die Umhänge mit Kapuzen trugen, andere, die ihre Gesichter verbargen. Stark wurde nicht sonderlich beachtet. Er bemühte sich, nicht zu schnell zu gehen, absichtslos zu wirken, wohl wissend, daß sein Plan vielleicht völlig aussichtslos war.
Es war nur eine Vermutung, daß Pedrallon und seine Leute einen Sender und Empfänger hatten, und sie stützte sich auf das zusammenhanglose Gestammel eines verängstigten Mannes. Stark konnte unmöglich
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