Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
Frau gewesen, aber der Dämon saugte ihr auch noch die letzte Freude aus der Seele.«
Talia dachte ans letzte Mal zurück, als sie Schnee gesehen hatte: im Whiteshore-Palast. Der Dämon hatte ihr die Fröhlichkeit aus den Augen gequetscht, ihr das Glück herausgeschnitten und sie leer zurückgelassen. Wie lange würde sie brauchen, um sich davon zu erholen, sobald dieser Dämon vernichtet war?
Zorn wallte in ihr auf – und diesmal kämpfte sie nicht dagegen an. Sie überließ sich dem Wolf, schob sich an Danielle vorbei und packte Noita an der Kehle. Sie zerrte die Hexe auf die Beine. »Diese Visionen von der Zukunft – haben sie dir gezeigt, was ich mit dir machen werde, wenn du uns nicht hilfst?«
Noita schluckte. »Dich haben sie mir überhaupt nicht gezeigt – nur deine Freundinnen. Der Umhang, den du da trägst, schirmt dich vor meinen Visionen ab.«
Die panische Angst in Noitas Augen brachte Talia fast dazu, sie zu bedauern. Dann sah sie zum Apfelbaum hinüber und dachte an Schnee. »Wenn ich verändern kann, was hier geschehen ist, dann kann ich auch den Rest verändern.« Ihre Finger spannten sich an. Das Wolfsfell gab ihr Kraft, und Noita war eine alte Frau. Es wäre nicht viel Anstrengung vonnöten, um ihr die Knochen zu brechen.
»Talia.« Danielle ergriff sie am Arm. »Talia!«
Noitas Finger zerrten an Talias Händen. Keuchend versuchte sie, die Atemluft an dem immer enger werdenden Griff an ihrem Hals vorbeizupressen.
Talia holte tief und schaudernd Luft und ließ los. Die Hexe fiel hin und hielt sich um Atem ringend den Hals. »Der Geist in diesem Umhang mag vielleicht nicht so mächtig sein wie dieser Dämon, aber es gibt einen sehr wichtigen Unterschied: Der Wolf ist hier, in diesem Moment. Und er mag dich nicht besonders.«
»Ich weiß, dass Rose ihren Zauber im Winterpalast gewirkt hat.« Noitas Gesicht war bleich. »Ich habe ihr bloß bei den Vorbereitungen geholfen. Den Beschwörungskreis selbst habe ich nie gesehen, aber ein so mächtiger Kreis muss Spuren hinterlassen haben. Er könnte sogar noch da sein. Vielleicht in einem geheimen Raum? Rose hatte viele Geheimnisse, aber eure Hexe ist vielleicht imstande, ihn zu finden.«
Gerta brach eine Rosenknospe von einer Ranke und drehte sie in den Fingern. »Ich habe eine bessere Idee. Wenn deine Zauberei dir Visionen von anderen Zeiten und Orten zeigen kann, kann sie uns vielleicht zeigen, was wir sehen müssen.«
»Rose hat ihre Geheimnisse vor Hellsehen geschützt!«, protestierte Noita.
»Aber Rose ist tot«, sagte Gerta. »Mit meiner Zauberkraft, zusätzlich zu deiner, können wir diesen Dämon vielleicht endlich überholen.«
Kapitel 12
In einem anderen Leben hätte Schnee das hier vielleicht lustig gefunden.
Der gestohlene Schlitten flog den Gebirgspass förmlich hinauf; die Stahlkufen scheuerten über Eis wie Stein gleichermaßen. Prinz Jakob klammerte sich an ihre Seite. Sosehr er sich auch vor ihr fürchtete: Die Aussicht, vom Weg abzukommen und den Berg hinunterzustürzen, bereitete ihm noch mehr Angst.
Mit mentalen Peitschenhieben trieb Schnee ihre Gespensterreittiere zu höherer Geschwindigkeit an. Sie hatte die vier Rentiere auf dem Höhepunkt ihrer Furcht getötet, einer Furcht, die sie in den Tod mitgenommen hatten. Die Geister der Rene würden nie ermüden, aber die Angst verlieh ihnen erst ihre Schnelligkeit.
»Weißt du, sie werden uns beide töten.« Schnee setzte Magie ein, damit ihre Worte über dem Geräusch des Schlittens zu hören waren. »Wenn Lord Duino könnte, würde er uns vom Pass reißen oder eine Lawine auf uns herabgehen lassen, um uns zu zermalmen. So groß ist seine Angst, dass er mit Freuden ein unschuldiges Kind ermorden würde, wenn das bedeutete, dass er vor mir sicher wäre.«
Allesandrias Armee war, was ihre magischen Fähigkeiten anging, unerreicht, aber gegen einen kleinen, wendigen Feind war eine Armee von wenig Nutzen. Schnee hatte ihr Heimatland einmal als relativ kleine Nation bezeichnet. Zwar war Allesandria um ein Vielfaches größer als Lorindar, doch ein Großteil dieser Fläche war dünn besiedelt, besonders die Bergregionen … und das bedeutete, dass es jede Menge Orte gab, wo man sich verstecken konnte.
Wie viele Jäger hatte Laurence eingesetzt, nachdem Schnee sich durch seine Streitkräfte im Hafen hindurchgekämpft hatte? Sie konnte spüren, dass sie nach ihr suchten: manche durch Kristalle oder Hellsichtbecken, andere durch die Augen der Vögel oder anderer Tiere. Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher