Daemon von Karanda
Obwohl die Kunde seines Todes uns alle in tiefste Verzweiflung stürzte, bemühten wir uns, unseren Glauben am Leben zu erhalten. Eines Tages kam Harakan in unseren Tempel und wollte mit mir unter vier Augen sprechen. Ich war ein paarmal in Kirchenangelegenheiten in Mal Yaska gewesen und wußte, daß Harakan von hohem Rang unter den Chandim war und dem heiligen Jünger Urvon sehr nahestand. Als wir allein waren, erzählte er mir, daß Urvon die Orakel und Prophezeiungen studiert hatte, um Rat zu finden, was die Kirche in dieser ihrer schwärze-sten Stunde unternehmen müsse. Der Jünger hatte entdeckt, daß ein neuer Gott bestimmt war, über Angarak zu herrschen, und daß er in seiner Rechten den Cthrag Sardius halten wird und in seiner Linken den Cthrag Yaska. Er wird das allmächtige Kind der Finsternis sein, und die Dämonen werden ihm unterstehen.«
»Das ist ein Zitat, nehme ich an?«
Arshag nickte. »Aus dem achten Kapitel der Ashabiner Orakel«, bestätigte er.
»Es ist ein bißchen obskur, doch das sind Orakel gewöhnlich. Erzählt weiter.«
Arshag machte es sich ein wenig bequemer und fuhr fort: »Der Jünger Urvon legte es so aus, daß unser neuer Gott die Hilfe der Dämonen zur Unterdrückung seiner Feinde haben würde.«
»Nannte Harakan Euch diese Feinde beim Namen?«
Wieder nickte Arshag. »Er erwähnte Zandramas – von der ich hörte –
und einen gewissen Agachak, dessen Name mir fremd ist. Ebenso warnte er mich, daß das Kind des Lichtes sich wahrscheinlich einmischen wür-de.«
»Eine logische Vermutung«, flüsterte Silk Garion leise zu.
»Harakan, der der engste Ratgeber des Jüngers ist, hatte mich für eine große Aufgabe auserwählt«, fuhr Arshag stolz fort. »Er hieß mich, die Magier von Karanda aufzusuchen und ihre Künste zu studieren, damit es mir gelingen möge, den Dämonenherrscher Nahaz zu beschwören und ihn anzuflehen, dem Jünger Urvon im Kampf gegen seine Feinde beizu-stehen.«
»Sagte er Euch, wie gefährlich diese Aufgabe sein würde?« fragte ihn Belgarath.
»Oh, ich war mir der Gefahren bewußt«, versicherte ihm Arshag, »aber ich nahm sie gern auf mich, denn meine Belohnung sollte hoch sein.«
»Davon bin ich überzeugt«, murmelte Belgarath. »Weshalb tat Harakan es nicht selbst?«
»Der Jünger Urvon hatte ihm einen anderen Auftrag gegeben – er sollte irgend etwas im Westen erledigen, soviel ich weiß – , es hatte etwas mit einem Kind zu tun.«
Belgarath nickte freundlich. »Davon habe ich gehört.«
»Nun«, fuhr Arshag fort, »ich reiste jedenfalls in den Wald des Nordens und suchte nach Magiern, die immer noch ihre Riten an Orten durchführten, die vor den Augen der Kirche versteckt waren. Schließlich fand ich einen solchen.« Er verzog abfällig die Lippen. »Er war ein unwissender Wilder, ohne große Fähigkeiten, im besten Fall imstande, einen Kobold zu beschwören. Er erklärte sich bereit, mich als seinen Schüler aufzunehmen
– und als Sklaven! Er war es, der mich so entsetzlich zurichtete.« Voll Abscheu blickte er auf seine Tätowierungen. »Er hielt mich in einem Hundezwinger und beharrte darauf, daß ich ihn bediene und mir seinen Unsinn anhöre. Ich lernte das wenige von ihm, das er selbst verstand, dann er-würgte ich ihn und suchte mir einen mächtigeren Lehrer.«
»So sieht die Dankbarkeit der Grolims aus«, sagte Silk zu Garion, der sich halb auf die Geschichte konzentrierte und halb darauf, das Schiff zu steuern.
»Die darauffolgenden Jahre waren hart«, fuhr Arshag fort. »Ich begab mich von Lehrer zu Lehrer, erduldete Versklavung und Mißhandlung.«
Ein düsteres Lächeln huschte über seine Züge. »Hin und wieder wurde ich sogar an andere Magier verkauft – so, wie man eine Kuh oder ein Schwein verkauft. Nachdem ich gelernt hatte, was von ihnen zu lernen war, suchte ich der Reihe nach alle auf und rächte mich für ihre Behandlung. Schließlich, an einem Ort nahe der Nordöde, fand ich einen uralten Mann, der angeblich der mächtigste Magier in Karanda war. Er nahm mich als Lehrling, denn da sein Augenlicht schlecht war, hielt er mich für einen jungen Karandeser, der Weisheit suchte. Nun erst begann meine Ausbildung wirklich. Die Beschwörung unbedeutender Dämonen ist keine große Sache, doch einen Dämonenherrscher zu rufen ist sehr schwierig und viel gefährlicher. Der Magier behauptete, er habe es zweimal in seinem Leben getan. Wahrscheinlich hat er gelogen. Jedoch zeigte er mir, wie das Abbild des Dämonenherrschers
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