Daemon von Karanda
seit ihn vor zehn Jahren einer hatte auspeitschen lassen, weil er sich auf einem malloreanischen Kriegs-schiff von den Rumvorräten bedient hatte. Zähneknirschend hatte er ge-wartet, bis er das Schiff verlassen konnte, dann war er auf Suche nach weniger strengen und verständnisvolleren Vorgesetzten bei der Handelsma-rine gegangen.
Doch auf der Stern von Jarot hatte er keine gefunden.
Vor kurzem erst hatte er wieder eine bittere Enttäuschung erlebt, und zwar als Folge einer Meinungsverschiedenheit mit dem Bootsmann, einem Burschen mit harten Fäusten aus Pannor in Rengel. Dieser Streit hatte Balsca die Vorderzähne gekostet, und als er sich beim Kapitän darüber beschwerte, war er auch noch mit höhnischem Gelächter und einem Tritt mit der genagelten Sohle seines eichenen Beines aufs Achterdeck befördert worden. Die Demütigung und blauen Flecken waren schon schlimm genug, doch die Splitter, die wochenlang in Balscas Hintern schwärten, ließen das Sitzen zur Qual werden, dabei war das seine Lieblingsstellung.
Grübelnd lehnte er an der Steuerbordreling, wo Kapitän Holzbein ihn nicht sehen konnte, und starrte auf die bleigrauen Wellen der Meerenge von Perivor, während die Stern von Jarot nordwestwärts fuhr, entlang der sumpfigen Küste der südwestlichen Dalasischen Protektorate und in einem Bogen um die schweren Brecher am Turim Riff herum. Als das Riff hinter ihnen lag und sie sich nordwärts an der Ödküste von Finda hielten, war Balsca überzeugt, daß das Leben ihn über alle Maßen ungerecht behandelte, und er fand, daß es viel gescheiter wäre, wenn er sein Glück an Land versuchte. Mehrere Nächte stöberte er mit einer gut abgeschirmten Laterne im Laderaum herum, bis er das Geheimfach entdeckte, in dem Holzbein einige kleinere Wertsachen aufbewahrte, mit denen er den Zöll-nern keine Arbeit machen wollte. In dieser Nacht wurde Balscas geflickter Seesack rasch um ein gutes Stück schwerer.
Als die Stern von Jarot im Hafen von Mal Gemila Anker warf, täuschte Balsca vor, krank zu sein, und lehnte ab, seine Kameraden zur üblichen Sauftour am Ende der Reise zu begleiten. Statt dessen blieb er theatralisch stöhnend in seiner Hängematte liegen. Während der Spätwache schlüpfte er in seinen wasserdichten Mantel, schlang sich den Seesack um und schlich an Deck. Wie erwartet lag der Wachhabende schnarchend im Speigatt, mit einer irdenen Kanne an sich gedrückt. In der Achterkajüte, wo Holzbein und seine Offiziere in müßigem Luxus hausten, brannte kein Licht mehr, und der Mond war bereits untergegangen. Ein Beiboot schaukelte steuerbord vertäut im Wasser, und Balsca ließ seinen Seesack geschickt hineinfallen, dann schwang er sich über die Reling und verließ die Stern von Jarot auf Nimmerwiedersehen. Er bedauerte es nicht. Er nahm sich nicht einmal Zeit, das Schiff zu verfluchen, das die letzten sechs Jahre sein Zuhause gewesen war. Balsca war philosophisch veranlagt, wenn er sich einmal einer unangenehmen Lage entzogen hatte, hegte er keinen Groll mehr.
Im Hafen verkaufte er das Beiboot an einen Mann mit verschlagenem Blick und nur einer Hand. Balsca täuschte Trunkenheit vor, und der Verstümmelte – dessen Rechte man zweifellos als Bestrafung für Diebstahl abgehackt hatte – bezahlte ihm ein bißchen mehr dafür, als er es am hellichten Tag getan hätte. Balsca war sofort klar, was das bedeutete. Er schlang sich den Seesack über die Schulter, torkelte den Pier hoch und stieg die steile Kopfsteinpflasterstraße empor. An der ersten Ecke bog er unerwartet nach links ab und lief dahin wie ein leichtfüßiges Reh, so daß die Bande, die der Einhändige auf ihn angesetzt hatte, weit zurück blieb.
Balsca war nicht intelligent, aber ein Dummkopf war er beileibe, nicht.
Er rannte, bis er Luft holen mußte, aber da war er schon ein beachtliches Stück vom Hafen mit all seinen Gefahren entfernt. Er kam an einigen Schenken vorbei, auf die er nur einen bedauernden Blick warf. Er hatte noch etwas zu erledigen, und dazu brauchte er einen klaren Verstand.
In einem kleinen Laden, der gut in einer dunklen, übelriechenden Gasse versteckt lag, verkaufte er Kapitän Holzfuß' geschmuggelte Schätze und feilschte bis zum letzten Kupferstück mit der schwabbelig fetten Inhabe-rin. Sogar seinen guten Seemannsmantel tauschte er gegen bürgerliche Kleidung ein. Als er die Gasse verließ, sah man ihm den Seemann nicht mehr an – wenn nicht sein rollender Gang gewesen wäre, der jedem noch eine Weile
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