Daemon von Karanda
anhaftete, der Monate auf See verbracht hatte.
Er vermied die Hafengegend mit ihren Banden und billigen Grogstuben und begab sich statt dessen in eine ruhigere Straße, die an bretterver-schlagenen Lagerhäusern vorbeiführte. Ihr folgte er, bis er zu einer ruhigen Bierstube kam, wo ihn eine vollbusige Schankmaid ziemlich mürrisch bediente. Ihre schlechte Laune rührte offenbar daher, daß er der einzige Gast war und sie vorgehabt hatte, zu schließen und ins Bett zu gehen –
oder auch in das eines anderen. Er heiterte sie etwa eine Stunde lang auf, dann ließ er ein paar Kupfermünzen auf dem Tisch für sie und drückte zum Abschied ihren vollen Busen, ehe er auf Suche nach weiteren Aben-teuern auf die leere Straße hinaustorkelte.
Unter einer rauchigen Fackel an einer Ecke fand er die wahre Liebe.
Elowanda, sagte sie, sei ihr Name. Balsca vermutete, daß sie da nicht ganz ehrlich war, doch war es nicht ihr Name, der ihn interessierte. Sie war noch sehr jung und ganz offensichtlich krank. Sie hatte starken Husten, eine heisere, krächzende Stimme, und ihre gerötete Nase rann ohne Unterlaß. Sie war auch nicht sonderlich sauber und roch nach Schweiß von mindestens einer Woche. Doch Balsca hatte den starken Magen des Seemanns, und sein Appetit war durch sechs Monate erzwungener Abstinenz ins Unermeßliche gewachsen. Elowanda war nicht hübsch, aber billig.
Nach kurzem Feilschen führte sie ihn in eine armselige Hütte in einer Gasse, in der es nach verrottenden Abfällen roch. Obwohl er stock-betrunken war, vergnügte Balsca sich mit ihr auf einer abgelegenen Matratze, bis der Morgen graute.
Es war Mittag, als er mit brummendem Schädel erwachte. Er hätte vielleicht noch länger geschlafen, wenn nicht das Schreien eines Säuglings aus einer Kiste in einer Ecke ihn geweckt hätte. Er stupste die bleiche Frau, die neben ihm lag, damit sie aufstehe und ihr brüllendes Balg zur Ruhe bringe. Sie bewegte sich schlaff unter seiner Hand.
Er stupste sie härter, dann stand er auf und betrachtete sie. Ihr Gesicht war in einem schrecklichen Krampf erstarrt – in einem unnatürlichen Grinsen, das sein Blut zum Stocken brachte. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß ihre Haut kalt wie Eis war. Fluchend riß er seine Hand zur Seite, dann zog er vorsichtig eines ihrer Lider zurück. Erneut fluchte er.
Die Frau, die sich Elowanda genannt hatte, war tot.
Balsca stand auf und zog sich rasch an. Er suchte die Kammer gründlich ab, fand jedoch nichts, was des Mitnehmens wert gewesen wäre, von den paar Münzen abgesehen, die er der Frau bezahlt hatte. Er steckte sie wieder ein, dann blickte er wütend auf die nackte Leiche auf der Matratze.
»Verdammte Hure«, fluchte er und trat sie in die Seite. Schlaff rollte sie vom Bett und blieb mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegen.
Balsca schmetterte die Tür hinter sich zu, ohne auf das schreiende Kind zu achten, das er hilflos zurückgelassen hatte.
Ein paar Minuten machte er sich noch Gedanken über gewisse Krankheiten, die man sich bei einem solchen Verkehr zuziehen konnte. An irgend etwas war Elowanda gestorben, aber sicher hatte nicht seine vielleicht etwas rauhe Behandlung sie umgebracht. Vorsichtshalber murmelte er einen alten, unter Seeleuten üblichen Abwehrzauber, der besonders wirksam bei Pocken sein sollte. Dann suchte er beruhigt nach einer Schenke.
Im Lauf des Nachmittags wurde er angenehm betrunken, bis er schließ-
lich aus einer netten kleinen Weinstube torkelte und sich überlegte, was er nun tun sollte. Inzwischen hatte Holzbein bestimmt entdeckt, daß sein Geheimfach leer, und Balsca verschwunden war. Da Holzbein ein phanta-sieloser Mann war, würden er und seine Offiziere ihre Suche auf die Hafengegend konzentrieren. Sie würden eine Weile brauchen, bis ihnen klar wurde, daß ihr Opfer sich außer Sicht-, wenn auch vielleicht nicht außer Riechweite des Salzwassers verzogen hatte. Balsca sagte sich, daß er sich besser weiter landeinwärts begeben sollte, wenn er den Vorsprung vor seinem rachsüchtigen Kapitän behalten wollte. Außerdem dachte er, daß ihn möglicherweise jemand mit Elowanda gesehen hatte und ihre Leiche inzwischen wahrscheinlich entdeckt worden war. Er hielt sich zwar nicht für ihren Tod verantwortlich, doch er legte keinen Wert darauf, von der Polizei verhört zu werden. Alles in allem war es bestimmt das klügste, Mal Gemila umgehend zu verlassen.
Zuversichtlich machte er sich auf den Weg zum östlichen Stadttor, doch schon
Weitere Kostenlose Bücher