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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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Hand auf den Rücken, um ihn zu stützen und vorsichtig von der Leiche wegzuführen.
    Brogan nahm ein Blatt Papier hervor und hielt es neben die in die Wand gekratzte Schrift, ohne auf den Regen zu achten, der das Papier durchweichte. Jefferson sah, was er hielt: die kleine Notiz, die an die Konditorschachtel geheftet gewesen war, die Lee für sie abgegeben hatte. »Für Jefferson und Brogan«, stand dort zu lesen. »Viel Spaß.« Langsam hob Brogan die freie Hand und zeigte auf die Klimaanlage.
    Die Schrift an der Wand stammte von der gleichen Hand.
    Detective Brogan saß im dunklen Innenraum seines Wagens und starrte gedankenverloren auf die bleichen Ulmen im Hinterhof, die in der nächtlichen Brise wogten. Zwei Stunden hatte er im Mass General verbracht, wo sein Arm genäht worden war, dann zwanzig Minuten am Telefon mit Amelia, der mexikanischen Frau, die während seiner Abwesenheit auf seine Kinder aufpasste. Sie war nach draußen zum Wagen gekommen, um ihn zu begrüßen, als er in die Auffahrt bog, und um ihm zu sagen, dass auf dem Küchentresen zwei Sandwichs auf ihn warteten. Truthahn und Thunfisch. Dann sah er ihr hinterher, wie sie nach Hause fuhr. Die Rückleuchten ihres Wagens wurden kleiner und kleiner, bis sie schließlich bei einer Straßenkreuzung abbog und verschwand. Brogan war sitzen geblieben.
    Das war nun fast zwanzig Minuten her, und noch immer tickten die Sekunden dahin, ohne dass er sich gerührt hätte. Die Zeit verging.
    Zeit. Sechs Monate waren vergangen, seit seine Frau gestorben war. Sechs Monate, unterteilt in Tausende von Sekunden, von denen jede schmerzhafter war als die vorangegangene. Wie Wassertropfen ertränkte ihn jede Sekunde ein wenig mehr, und er spürte, wie sie ihm die Luft abschnürten beim Gedanken an seine Frau, wie er sich von Sekunde zu Sekunde mehr danach sehnte, sie wieder bei sich zu haben.
    Brogans Dienstwaffe lag auf dem Beifahrersitz neben ihm. Er nahm sie in die Hand und legte sich das schwere Stück Metall in den Schoß, bis er die Kälte durch den Stoff hindurch in den Beinen spürte. Er blickte hinauf zum Haus, seinem Haus, mit den dunklen Fenstern und den beiden schlafenden Kindern. Seine kleinen Töchter, die tief und fest schliefen und ihre Mutter niemals so kennen gelernt hatten, wie er sie kannte, und in deren Erinnerung das Gesicht der Mutter bereits verblasste wie ein Traum nach dem Aufstehen. Er sehnte sich nach dieser Kraft, nach dieser kindlichen Fähigkeit zu vergessen.
    Brogan hob die Hand vor die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Ohne nachzudenken nahm er den Revolver und steckte ihn in die Tasche, dann öffnete er die Wagentür. Die Innenbeleuchtung schaltete sich ein und brachte ihn zurück in die unbarmherzige Wirklichkeit. Seine Frau war ihm genommen worden. Seine Frau, seine Geliebte, seine Kameradin … sie war ihm so brutal entrissen worden, dass ihm des Morgens das Atmen schwer fiel, doch trotz des Schmerzes tickten die Zeiger der Uhr weiter, Aufzüge hielten immer noch mit ihrem hellen Glockenton, und Innenbeleuchtungen flammten immer noch mit gleichgültiger Regelmäßigkeit auf, wenn man die Wagentür öffnete.
    Man denkt, die Welt würde aufhören, sich zu drehen, weil man einen geliebten Menschen verloren hat, doch so ist es nicht. Alles geht weiter wie zuvor. Brogan stieg aus dem Wagen und spürte das Gewicht des Revolvers in der Tasche. Sein Arm schmerzte ein wenig, als er die Wagentür leise schloss, um die beiden schlafenden Töchter nicht zu wecken, dann ging er den schmalen gepflasterten Weg zu seinem Haus hinauf. Die Nachbarschaft lag ruhig, keine Bewegung und keine flackernden Lichter von Fernsehern hinter den Fenstern in der schmalen, dicht bebauten Straße.
    Sein eigenes Haus, ein zweigeschossiges, mit Schindeln gedecktes Holzhaus, lag so ruhig da wie alle anderen. Die Verandabeleuchtung schaltete sich bei seinem Näherkommen ein, gesteuert durch Bewegungssensoren auf der Vorderseite. Er kam an der breiten Hollywoodschaukel vorbei, die seit dem Tod seiner Frau nicht mehr benutzt worden war.
    Gegenstände, die trivial und unbedeutend erschienen waren, als seine Frau noch gelebt hatte, gewannen plötzlich eine neue Bedeutung, waren mit einem Mal voller Erinnerungen an sie. An all die kleinen Details, die eine Person ausmachen. Die Schaukel. Warme Sommernächte, in denen sie sich aneinander geschmiegt und begleitet vom Zirpen von Grillen und summenden Insekten geschaukelt hatten.
    Er riss sich

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